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Einspruch: Die Agrardebatte ist mehr als nur eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit


In seinem Artikel verkürzt Peter Nindler die Agrargemeinschaftsproblematik auf die politische Frage der Verteilungsgerechtigkeit.
Das ist vielleicht eine Teilsicht, aber nur ein beschönigender kleiner Ausschnitt.

Er klammert damit drei Seiten aus:
Zum einen die Feststellung des Verfassungsgerichtshofes, dass es sich beim Verhalten des Landes Tirol in der Vergangenheit, seiner politischen Verantwortungsträger und der zugehörigen Behörden in Tateinheit, um einen Verstoss gegen das Eigentumsrecht handelt. Kurz gesagt um ein Vermögensdelikt, dessen strafrechtliche Dimension nicht verschwiegen werden kann. Untreue und Amtsmißbrauch waren und sind mit diesen Vorgängen verbunden.
Menschen wurden und werden von Politfunktionären gewissenlos indoktriniert. Guter Glaube wurde und wird mißbraucht. Bei vielen, sicher aber nicht allen.
Es geht darum, dass zu Unrecht erworbenes Gut zurückzugeben ist, ohne wenn und aber.

Zum zweiten die Frage, wie die politischen Verantwortungsträger ein klar erkanntes Unrecht richtigstellen.
Hier erlebt das Land Tirol ein unwürdiges Schauspiel.
"Zizerlweise", in Salamitaktik, wurden Mini-Schritte gesetzt. Die es den Begünstigten des Unrechts erlauben, noch möglichst viele Vorteile aus der Sache zu ziehen.

Beginnend mit der ersten Novelle zum TFLG, wo etwa die Hälfte der betroffenen Gemeinden das "Recht" in Form von Parteistellung erhielt, bei der Agrarbehörde überhaupt gehört zu werden. Ein schlechter Witz, der von der damaligen Landesregierung als Lösung und rechtsstaatlicher Fortschritt gefeiert wurde.
Bis herauf zur letzten großen Novelle, die ja auch bereits wieder novelliert wurde, wo grundsätzliche Verbesserungen für die Gemeinden ihr papierenes Dasein fristen.

Die festgeschriebenen Möglichkeiten werden durch die Interpretation und Haltung der weisungsgebundenen Behörden – Agrarbehörde, Gemeindeabteilung und Verfassungsdienst - völlig konterkariert. Der LAS spielt auch mit.
Die Gemeinden bleiben Bittsteller, nicht mehr.
Jeder Agrargemeinschaftsausschuss kann die Gemeinde wegen irgend einer Substanzkleinigkeit auf den Behördenweg bis zum VfGH schicken. Die Lösung des Problems findet nur am Papier, in Paragraphen und Medienberichten, statt.
Guter Wille wird öffentlich simuliert, aber
in der amtsgeheimen Praxis wird alles mit Verwaltungstricks verhindert.

Und zum dritten die Frage des Umgangs mit Rechtsstaat und Demokratie. Sowie die Haltung und Verantwortung der politischen Amtsträger und Behörden dazu.
Die in der Verfassung garantierte Autonomie der Gemeinden wird durch Interpretationen des TFLG und Gutachten eingeschränkt.
Es geht schlicht und ergreifend um politische Macht.
Entscheidungen um Grund und Boden, die Erträge daraus und deren Verwendung sind politische Macht.
Finden nun Entscheidungen in einem öffentlich kontrollierten Gemeinderat statt oder in agrarischen Ausschüssen, handverlesen besetzt von einigen wenigen Nutzungsberechtigten? Mit einem ungeprüftem Rechnungswesen, in dem nicht einmal alle wirtschaftlichen Vorgänge abgebildet sind, sowie verheimlichten Statuten und Protokollen?
Den Nutzungsberechtigten kommt laut VfGH in Substanzangelegenheiten ausdrücklich kein Recht zu. Sie haben über die Substanz eindeutig nichts zu beschliessen.
Das kann nicht zu einem Zustimmungsvorbehalt der Gemeinde uminterpretiert werden.
Substanzrelevante Beschlüsse haben daher ausschliesslich im Gemeinderat zu fallen, den Nutzungsberechtigten kommt diesbezüglich kein Recht zu. Die Substanzwerte des Gemeindegutes sind verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum der Gemeinde, also Gemeindevermögen.
Dieses muß nach der Gemeindeordnung behandelt werden. Die Agrarbehörde hat sich in ihrer Tätigkeit auf die Nutzungsrechte zu beschränken.
Das Land Tirol kann und darf nicht die Bundesverfassung und die darin garantierten Rechte, die zugehörige Judikatur und auch nicht die Tiroler Gemeindeordnung durch Interpretationen des Landesflurverfassungsgesetzes und Gutachten außer Kraft setzen. Die politischen Amtsträger und die Behörden tun es trotz allem.
Hier sieht man in erster Linie Verantwortungslosigkeit, dann Rechtsbruch, Rechtbeugung, Beamtenwillkür und Amtsmißbrauch.

Das Wort Verteilungsgerechtigkeit ist eine sozialromantische Beschönigung.
Es fehlt der politische Wille zur klaren Rechtsgestaltung. Das Land drückt sich feige vor der Verantwortung, läßt bewußt weiterhin Plattformer und diverse Oberhofers im Trüben fischen und lädt seine Verantwortung auf Bürgermeister, Gemeindevertreter und kleine Agrarfunktionäre ab.
Es geht um mehr als nur Verteilungsgerechtigkeit. Es geht um Rechtsstaat und Demokratie.