75 Jahre Agrargemeinschaft Obermieming

Published date: Donnerstag, 13 Feber 2025 12:22

Ergänzt am 12 03 2025

Am 16.II.1950 erteilte der verantwortliche Landesrat die Weisung zur Bildung der Agrargemeinschaft in Mieming und ersuchte um „gelegentlichen Erledigung der Angelegenheit“. Eine gesetzliche Grundlage zur Eigentumsübertragung benannte er nicht. Es gibt keine.

Dem ging am 13. März 1949 der Antrag der Nutzungsberechtigten zur Regelung der Verwaltung im Sinne des TFLG voraus.

Am 25. März 1949 wurde der Antrag dem Behördenleiter übergeben und eine Niederschrift über den Antrag auf Regelung der Verwaltung und auf Feststellung des Eigentums ausgefertigt.

Die Entstehung der AG Obermieming belegt die Gesetzlosigkeit der Eigentumsentziehung.

Die Antragssteller unterschrieben einen Antrag auf Regelung der Verwaltung. Agrarbehördenleiter und Ortsbauernobmann machten daraus einen Antrag auf Regelung der Verwaltung und Feststellung des Eigentums. Der zuständige Landesrat gab schlussendlich die Weisung zur Bildung der Agrargemeinschaft. Politik ging vor Recht.

Am 18.4.1952 folgte der Regulierungsbescheid Zl. IIIb – 18/6 mit der Eigentumsübertragung

 

OMRegulierungsbescheid1952

Autoritäre „Mir san mir“- Weisung geht vor Recht.

Der offene Widerspruch zwischen dem rechtlichen Wissensstand der Agrarbehörde und ihrem politisch beauftragten Handeln wird klar sichtbar. Die Behörde hat einerseits festgestellt, dass Gemeindegut im Eigentum der Gemeinde mit Nutzungen nach der Tiroler Gemeindeordnung vorliegt und andrerseits das Eigentumsrecht auf die Agrargemeinschaft übertragen. Die Agrarbehörde hatte auch im Jahr 1952 nicht das Recht, Gemeindeeigentum per Bescheid zu übertragen. Der Vorgang erfolgte ohne Rechtsgrundlage nur auf politische Weisung. Die Übertragung war gesetzlos. Das Vorliegen von Gemeindegut nach der Tiroler Gemeindeordnung wurde von verschiedensten Ratgebern in Frage gestellt, zuletzt von Bürgermeister Dr. Dengg in Gemeinderatssitzungen mehrfach zurückgewiesen.

 

Beweis der Kontinuität

Bei der seinerzeitigen öffentlichen Darstellung der durch Haller erstmalig durchgeführten gesetzlosen Eigentumsentziehungen während der totalitären NS-Zeit in Osttirol gab es besonders kritische Stimmen von Mieminger Politikern. Entschuldigungen wurden gefordert. Die Begründung im obigen Bescheid mit dem FLG 1935 ist identisch mit der Begründung Hallers in seinem Bericht an die Obere Umlagebehörde in den 40er Jahren. Die Agrarbehörde hat sehr zeitnah gleich argumentiert.

Die angestrebten Ziele werden klar sichtbar

Antrag auf Rodungsbewilligung am 25.5.1956

Hier wird festgehalten, dass die aufgezählten Grundstücke für die Verbauung vorgesehen sind. Wegen der schlechten Waldqualität hat die Rodung keine nachteiligen Auswirkungen auf die Landeskultur.

Preisgestaltung der Nutzungsrecht-Ablöse durch die Agrarbehörde

Im Aktenvermerk von Behördenleiter Mair über eine Besprechung mit der AG Obermieming vom 29 02 1960 wird die eklatante Überbewertung der Nutzungsrechte wird als „Rechtsaufklärung“ dargestellt. Der Wert, des nach Einschätzung der Forstbehörde minderwertige Holzbestandes, wird willkürlich auf ein Mehrfaches des Wertes des Grundeigentums gesetzt. Bemerkenswerterweise spricht Mair noch immer von der „Veräußerung von Teilwäldern durch die Gemeinde“. Was dem Grunde nach richtig war, denn bis zum TFLG 1969 konnten Teilwälder nur im Eigentum der Gemeinde stehen. Was aber nichts an der gesetzlosen Eigentumsentziehung ändert.

Gegen diese Praxis gab es massive Proteste, früh innerhalb der Agrargemeinschaft und später von außen durch die Behörde.

Gemeindebeteiligung

Dazu weiter im Aktenvermerk von Behördenleiter Mair:

Die in der TFLG-Novelle 1952 beschworenen gesetzlichen Anteilsrechte der Gemeinden (siehe die Landtagsprotokolle) wurden von der Gemeinde Mieming mit Einverständnis der Agrarbehörde nicht umgesetzt.

Womit die Ziele der gesetzlosen Eigentumsentziehung klar definiert sind

  • Übertragung der Verfügungsgewalt über das Gemeindegut auf die Agrargemeinschaften
  • Schaffung von Bauland
  • Optionale Verteilung des Vermögens mit Schwerpunkt Nutzungsberechtigte
  • Umsetzung gesetzlich vorgesehener Gemeinderechte nur nach Gutdünken. Ein gesetzlich vorgesehenes Anteilsrecht einer Gemeinde hätte jedenfalls bei der Erlassung eines Regulierungsplanes durch die Agrarbehörde verbüchert werden müssen. Bei gesetzlichen Vorgaben darf in einem Rechtsstaat die Meinung eines Bürgermeisters oder Agrargemeinschaftsausschusses für die Behörde keine Rolle spielen. Das galt damals offenkundig nicht für Mieming.

Karl Spielmann – Bürgermeister und Landwirt – Rücktritt als Agrargemeinschaftsobmann

Der damalige Obmann Karl Spielmann hat die Vorgänge sehr kritisch gesehen und kündigte am 18.10.1970 seinen Rücktritt an, was von der Agrarbehörde abgelehnt wurde.

Die amtlich gesteuerte Bewertungswillkür setzt sich fort:

Vollversammlung am 21.11.1972 im Gasthof Post Obermieming

Spielmann bekräftigte seine Ansicht und trat am 19.1.1075 als Obmann der AG Obermieming endgültig zurück.

 

Zweckverfehlung

Der Bauer Karl Spielmann sah Zielvorstellungen und Ansichten der Regulierung und Eigentumsübertragung für die soziale und wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung von Gemeinde und Agrargemeinschaft als unvereinbar an. Er war ein geradliniger, höchst ehrenwerter Mann. Ihm, dem kleinen Landbürgermeister, war die Zweckverfehlung der Regulierung klar. In einem persönlichen Gespräch dokumentierte er seine Machtlosigkeit: „Es stimmt ja alles, was Du sagst, aber man kann darüber nicht reden“.

Die besprochenen Regeln wurden in der Praxis mit Wissen der Agrarbehörde nicht eingehalten. Die Aufteilungssätze haben sich noch zugunsten der Nutzungsrechtablöse verschoben. Dazu kamen noch die tolerierte Handelbarkeit und die Möglichkeit der Vererbung der Nutzungsrechte. Es wurden Mechanismen in Gang gesetzt, die Gemeinden von den Erträgen auszusperren, den Ertrag der Agrargemeinschaft klein zu halten und die Gewinne der einzelnen Nutzungs- oder Anteilsberechtigten bzw. ihrer Familien zu maximieren.

Karl Spielmann gebührt posthum ein großer „Ehrentotzn“.

Behördenleiter HR Dr. Josef Guggenberger verurteilt die Praxis

Die Entwicklung setzte sich fort und erreichte mit dem Kauf des Hauptschulsportplatzes durch die Gemeinde einen besonderen Höhepunkt. Der damalige Agrarbehördenleiter zeigte in einem geharnischten Schreiben an die Agrargemeinschaft die Gesetzwidrigkeiten der Transaktion auf. Er leitete damit die vorzeitige Beendigung seiner Beamtenkarriere ein. Dem Vernehmen nach soll daran auch der damalige, aus Mieming stammende Tiroler Landeshauptmann mitgewirkt haben. Manus manum lavat.

Die Zusammenfassung des Schreibens sei hier wiedergegeben:

 

Presse-Echo

Kurier vom 01 06 2006. Die Zeitung vertrat damals wie heute keine einschränkende Blattlinie zum Agrarunrecht.

 

Bereicherungspraxis

Die Bereicherungsvorgänge sind, wie das Beispiel zeigt, längerfristig angelegt:

>> € 650 000.- für einen Gleicheren>>

Gemeinderat

Nicht nur der interne und behördliche Widerstand gegen die Handlungen der AG Obermieming ist aus dem Geburtstagsanlass hier anzuführen.

Gemeinderat Ulrich Stern hat bei der WKSta eine Sachverhaltsdarstellung mit Antrag

  • Prüfung auf mögliches strafbares Verhalten der Organe der Agrargemeinschaft Obermieming und ihres Rechtsvertreters
  • Prüfung auf mögliches strafbares Verhalten durch die Agrarbehörde des Landes Tirol am Beispiel der Agrargemeinschaft Obermieming

eingebracht. Die Erhebungen wurden an die StA Innsbruck abgetreten und schlussendlich eingestellt.

Hinweis: Der damalige Oberstaatsanwalt ist Agrargemeinschaftsmitglied. Honi soit qui mal y pense. Aufschlussreich sind die Verantwortungen des damals neuen Agrarbehördenleiters Dr. Nöbl vom 17.4.2008. Die StA dürfte in Vielem seinen verfehlten Rechtsansichten gefolgt sein.

……………………………………………

Wenige Wochen später wurden Nöbl’s Rechtsansichten mit dem VfGH Erkenntnis B 464/07-30, Mieders 2008, pulverisiert.

>>Mieders 2008 VfGH Erkenntnis B 464/07-30>>

Die im letzten Satz behauptete Narrenfreiheit von Agrargemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts existiert nicht. Hier wird versucht zu vernebeln, besser ver“nöbln“.  Die Agrarverwaltung und die Aufsicht der Agrarbehörde sind verfassungskonform auszurichten.  Die Agrargemeinschaften, ihre Mitglieder und die Agrarbehörde sind an das Gesetz, an die Satzung, an den  Regulierungsplan u.a.m. gebunden. Die Erkenntnisse des VfGH weisen die Tiroler Agrarbehörde nun schon seit 1982 auf diesen Umstand hin. Es geht nicht an, Scheinrechte zu konstruieren, nach dem Motto „wir machen weiter wie bisher“. Alle staatlichen Instanzen, bis hin zur StA und zu den Strafgerichten haben in der Vollziehung die bestehende Gesetzeslage verfassungskonform zur Geltung zu bringen.

Es gibt keine Norm, die die Pflicht zur agrarbehördlichen Aufsicht eingrenzt. Die Genehmigungspflichten geben nur den unbedingt einzuhaltenden Rahmen ab. In verfassungskonforme Rechtsanwendung muss sich die Agrarbehörde an Gesetz, die Satzung und die Regulierungspläne halten. Das gilt auch für die Agrargemeinschaften und die Mitglieder. Die Agrarbehörde darf nirgends wegschauen. Die politisch dirigierte Agrarverwaltung hat jedoch, wie bei  der “Goldgasse von Mieming”,  über Jahrzehnte die gesetzlose private Bereicherung durch Instrumentalisierung der Agrargemeinschaften geduldet. Fehlinterpretationen von Autonomie und Selbstverwaltung dürfen nicht dazu führen, dass die Agrargemeinschaften außerhalb der Sachbereiche mit dem gesetzlichen Genehmigungsvorbehalt alles nach Belieben tun und machen könnten, quasi Narrenfreiheit hätten. Das ist nur die Leseart Nöbl‘s. Damit wird der Rechtsstaat auf den Kopf gestellt. Beamte bereiten auf politischen Zuruf den Weg der Gesetzlosigkeit. Alles Handeln von Agrargemeinschaften ist an die Gesetze gebunden. Besonders bei Fragen der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit der gemeinschaftlichen Wirtschaftsführung. Das steht als normiertes Ziel im TFLG und in allen Satzungen. Nöbl sei daran erinnert, wer die Aufsichtstätigkeit der Agrarbehörde zu hindern sucht, begeht nach § 84 TFLG einen Verwaltungsstraftatbestand.

Golfplatz

Errichtung und Betrieb des Golfplatzes füllen ein eigenes Kapitel.

So viel ist jedoch festzuhalten: Die Agrargemeinschaft wurde in der Zwischenzeit von der Agrarbehörde als „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ festgestellt. Das ist angesichts des obigen Regulierungsbescheides, der von Gemeindegut nach der Tiroler Gemeindeordnung spricht, nicht verwunderlich. Der nun notwendige, vom Gemeinderat bestellt Rechnungsprüfer Ulrich Stern hat keiner der vorgelegten Jahresrechnungen seine Zustimmung geben können. Der Grund war, nebst Kleinigkeiten, die undurchschaubare Verrechnung der Golfplatzpacht durch Agrargemeinschaft, Betreibergesellschaft und Golfclub. Pachterträge sind reine Substanzeinnahmen und stehen der Gemeinde zu. Der damalige Bürgermeister Dr. Dengg hat es trotz Hinweis abgelehnt, die Ungereimtheiten rechtlich klären zu lassen. Die Kenntnis der Sachlage und Verantwortung muss bei ihm als Juristen vorausgesetzt werden. Der Gemeinde sind damit erhebliche Einnahmen entgangen. Es hat sich vermutlich bis heute nichts geändert.

 

Wasser – ein ungeklärtes Substanzrecht

Die rechtlichen Konstruktionen der Wassergenossenschaften in Mieming generell, die Wassergenossenschaft Obermieming speziell, berücksichtigen nicht in ausreichendem Maße das grundlegende Substanzrecht der Gemeinde. Da auch schon in diesem Bereich „Geschäfte“ von Holz- und Streunutzungsberechtigten angedacht wurden, ist es eine unbedingte Aufgabe von Gemeinde und Behörden hier Klarheit zu schaffen. Es sei unbedingt betont, dass die Versorgung hinreichend funktioniert. Es ist trotzdem jedenfalls Pflicht der Gemeinde, ihre grundlegenden Rechte klarzustellen.

 

Kein Mehrwert für die Gesellschaft

Die landesweiten Ergebnisse überall ähnlicher Aktivitäten sind nach fast 80 Jahren deutlich sichtbar:

Die unvertretbare Bewertung und Behandlung von Eigentumsrecht und Nutzungsrecht durch die Agrarbehörde führte zu völlig einseitigen Vermögensumverteilungen.

  • Den Tiroler Gemeinden wurde das Vermögen entzogen. Sie sind heute finanziell durchwegs sehr schwach
  • Das Vermögen floss nur zum kleinen Teil in die Agrargemeinschaften
  • Private Bereicherung in unglaublichen Ausmaßen – Beispiel „Goldgasse“ in Mieming – hat stattgefunden

Insgesamt ist die für Gesellschaft kein Mehrwert erkennbar, im Gegenteil, es wurde der Allgemeinheit über die Jahrzehnte hinweg schwerer Schaden im Milliardenbereich zugefügt. Aus Kompetenzgründen hätte der Landesgesetzgeber im öffentlichen Interesse gegen die offenkundige Zweckverfehlung einschreiten müssen. Auch in Obermieming.

Nur das korrekte Verhalten zweier Amtsträger gibt es an diesem Geburtstagsfest zu bejubeln. Sonst nichts. Die vorwiegend uninformierte Bevölkerung ist angehalten zu reflektieren, wie diese Klientelpolitik zum Schaden der Gemeinde, und damit aller, in einem Rechtsstaat möglich sein konnte.

Bei meiner Ehr‘.