Augiasstall

Published date: Donnerstag, 11 Juli 2024 19:26

Ein Status quo: das Rückübertragungsgesetz steht nicht auf der Agenda der regierenden politischen Parteien, die größten Medien versuchen wie gewohnt den bleibenden Gestank des Augiasstalles Agrarbehörde mit gunstheischendem „Lavendel“ und politischem Weihrauch zu überdecken. Der zuständige Landesgesetzgeber manifestiert seine Inkompetenz und bleibt untätig.

Es geht nicht nur um die Eigentumsfrage, es ging und geht um den missbräuchlichen Umgang mit dem rechtswidrig erworbenen öffentlichen Eigentum und die damit verbundene persönliche Bereicherung von Agrarmitgliedern und  Funktionsträgern. Es gäbe dutzende Beispiele. Der Landesgesetzgeber muss dies endlich richtig stellen. Über ein Dreivierteljahrhundert Missbrauch ist zu viel.

Das folgende VwGh-Erkenntnis  stellt eine Facette des Missbrauchs hinreichend dar. Es könnte ein Mieminger Beispiel sein.

Verwaltungsgerichtshof, 14.09.2017

Geschäftszahl  RA 2015/15/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat MMag. Maislinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des E N in P, vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 13. März 2015, Zl. RV/3100255/2013, betreffend Einkommensteuer 2005, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist pauschalierter Land- und Forstwirt und Eigentümer einer so genannten Stammsitzliegenschaft, mit der die Mitgliedschaft an der Agrargemeinschaft P verbunden ist.

2 Im Zuge einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die beiden Schwestern des Revisionswerbers mit Kaufvertrag vom 29. März 2005 von der Agrargemeinschaft P zwei Liegenschaften zu einem deutlich unter dem gemeinen Wert liegenden Kaufpreis erworben hätten. Der Kaufpreis sei vom Revisionswerber in Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen für seine Schwestern entrichtet worden. Der Revisionswerber habe – wie im angefochtenen Erkenntnis näher ausgeführt – damit von seinem als Mitglied der Agrargemeinschaft bestehenden Recht auf begünstigten Erwerb von Grundstücksflächen Gebrauch gemacht. Nach Ansicht des Prüfers sei die Differenz zwischen Kaufpreis und gemeinem Wert (abzüglich der an andere Mitglieder der Agrargemeinschaft geleisteten Ablösen) als Zufluss in das land- und forstwirtschaftliche Betriebsvermögen zu erfassen, welcher nicht von der Pauschalierung erfasst sei.

3 Das Finanzamt folgte der Rechtsansicht des Prüfers und erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens einen neuen Sachbescheid betreffend Einkommensteuer 2005, gegen den der Revisionswerber Berufung erhob.

4 Gegen die Abweisung der Berufung mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamts beantragte der Revisionswerber die Vorlage der Berufung an den unabhängigen Finanzsenat.

5 Im Zuge eines Erörterungsgespräches vor dem unabhängigen Finanzsenat erklärte sich der Revisionswerber mit einer zweiten Berufungsvorentscheidung einverstanden. Dabei sollten die (verdeckten) Ausschüttungen der Agrargemeinschaft in der vom Finanzamt ermittelten Höhe im Streitjahr als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (außerhalb der Pauschalierung) erfasst und gemäß § 13 Abs. 2 LuFPauschVO 2001 erstmals vom Revisionswerber geltend gemachte Sozialversicherungsbeiträge und Schuldzinsen abgezogen werden.

6 Gegen die in diesem Sinne ergangene zweite Berufungsvorentscheidung des Finanzamts brachte der Revisionswerber erneut einen Vorlageantrag ein.

7 Begründend führte der Revisionswerber aus, es handle sich bei der Agrargemeinschaft um eine spezielle Erscheinungsform des gemeinschaftlichen Eigentums an landwirtschaftlich genutztem Grund und Boden, welche nicht anders zu behandeln sei als schlichte Miteigentumsgemeinschaften, die von Gesetzes wegen gerade nicht als juristische Personen ausgestaltet seien. Es fehle am Einbringungsvorgang in eine juristische Person, weshalb Grund und Boden in der Agrargemeinschaft nicht steuerhängig sei. Die Aufteilung von Grund und Boden stelle deshalb keine Entnahme aus einer juristischen Person dar, sondern einen Aufteilungsakt unter Miteigentümern.

8 Das gemäß Art 151 Abs. 51 Z 8 B-VG mit Ablauf des 31. Dezember 2013 an die Stelle des unabhängigen Finanzsenats getretene Bundesfinanzgericht änderte den Einkommensteuerbescheid 2005 im Sinne der zweiten Berufungsvorentscheidung ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

9 Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, dass § 34 Abs. 3 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996) Agrargemeinschaften ausdrücklich als Körperschaften öffentlichen Rechtes normiere. Bei der Agrargemeinschaft P handle es sich um eine regulierte Agrargemeinschaft, die aufgrund einer Satzung agiere. Im Einklang mit dem TFLG 1996 normiere auch § 2 ihrer Satzung, dass die Agrargemeinschaft P eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes iSd des § 34 TFLG 1996 sei, einen Selbstverwaltungskörper darstelle und unter der Aufsicht der Agrarbehörde stehe.

10 Der Anteil an einer Agrargemeinschaft gehöre ertragsteuerlich bei einem Land- und Forstwirt schon allein wegen des inneren Zusammenhangs der Beteiligung mit der Stammsitzliegenschaft zu dessen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen. Geld- und Sachausschüttungen von körperschaftlich organisierten Agrargemeinschaften zählten – unabhängig davon, ob die den Ausschüttungen zugrunde liegenden Einkünfte bei der Agrargemeinschaft der Körperschaftsbesteuerung unterlegen seien – bei ihren Mitgliedern zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn die Beteiligung deren land- und forstwirtschaftlichem Betriebsvermögen zuzuordnen sei.

11 Die Veräußerung der Grundstücke an die Schwestern des Revisionswerbers zu einem unter dem Verkehrswert gelegenen Kaufpreis stelle einen Vorteil dar, der dem Revisionswerber als Ausfluss seines Anteilrechts zugekommen sei. Die in Höhe der Differenz zwischen Kaufpreis und gemeinem Wert vorliegende, verdeckte Ausschüttung sei beim Revisionswerber als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassen.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Das Bundesfinanzgericht legte die Verwaltungsakten vor. Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Hinsichtlich ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, welche steuerrechtlichen Auswirkungen der agrarbehördlichen Regulierung einer Agrargemeinschaft zukomme und insbesondere ob durch eine solche Regulierung Grund und Boden, der sich im Miteigentum der Anteilseigner der Agrargemeinschaft befunden habe, zu (steuerhängigem) Eigentum einer körperschaftlichen Agrargemeinschaft werden könne. Der Revisionswerber vertritt dazu die Ansicht, dass ein solcher Regulierungsvorgang steuerneutral sein müsse, weil sonst durch den Landesgesetzgeber in eine Kompetenz des Bundes eingegriffen würde, und dass der Verkauf des Grundstücks nicht als Entnahme aus einer juristischen Person zu qualifizieren sei, sondern als Aufteilungsakt unter Miteigentümern.

17 Bei Agrargemeinschaften handelt es sich um Gemeinschaften in Angelegenheiten der Bodenreform, in denen gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 3 B-VG die Grundsatzgesetzgebung Bundessache und die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung Landessache ist. Maßgebend für die Rechtsqualität der Agrargemeinschaften sind die jeweiligen Ausführungsgesetze der Länder (vgl. Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 21 Tz 211).

18 Gemäß § 34 Abs. 3 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996), sind Agrargemeinschaften in Tirol Körperschaften öffentlichen Rechtes. In der gemäß § 36 TFLG 1996 erlassenen Satzung der Agrargemeinschaft P wird diese ebenfalls als Körperschaft öffentlichen Rechtes bezeichnet.

19 Die Agrargemeinschaft P war daher im revisionsgegenständlich maßgeblichen Zeitpunkt der Veräußerung der beiden Grundstücke als Körperschaft, öffentlichen Rechtes zu qualifizieren und auch steuerrechtlich als solche zu behandeln. Ob die Agrargemeinschaft zu einem früherem Zeitpunkt als bloße Miteigentumsgemeinschaft zu qualifizieren gewesen sei und inwiefern von der Agrarbehörde gesetzte Regulierungsakte zu einer – auch steuerwirksamen – Änderung ihrer Rechtsstellung geführt haben, ist hingegen für die gegenständliche Revision nicht relevant.

20 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers wird durch die Festlegung der Rechtsform von Agrargemeinschaften in den Ausführungsgesetzen der Landesgesetzgeber auch nicht in die steuerrechtliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingegriffen. Durch die Determinierung der Rechtsform der Agrargemeinschaften wird kein eigenes (landesgesetzliches) Steuerrecht geschaffen.

21 Der vom Revisionswerber aufgeworfenen Frage, ob durch einen agrarbehördlichen Regulierungsakt davor nicht steuerverfangenes Eigentum als Eigentum einer Körperschaft steuerhängig werden könne, kommt im gegenständlichen Revisionsverfahren schon deshalb keine Relevanz zu, weil Gegenstand der Revision die Besteuerung einer Vorteilszuwendung an ein Mitglied der Agrargemeinschaft ist und nicht die mögliche Steuerpflicht des Veräußerungsvorgangs bei der Agrargemeinschaft selbst.

22 Im Zeitpunkt der Veräußerung der Grundstücke war die Agrargemeinschaft im Grundbuch als deren Eigentümerin eingetragen. Sie wird auch im Kaufvertrag als Verkäuferin genannt. Die Anführung ihrer Anteilsberechtigten im Grundbuch entspricht § 38 Abs. 2 TFLG 1996. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist darin, aber keine Auflistung der Anteilsberechtigten als Miteigentümer der Liegenschaft zu sehen.

23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

24 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet in den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 14. September 2017