formulierte Immanuel Kant, der wohl größte Philosoph der Neuzeit, vor 250 Jahren. Er sah das Zusammenspiel von Recht und Politik eindeutig: „Das Recht muss nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Rechte angepasst werden. Alle Politik muss ihr Knie vor dem Rechte beugen.“
Sein philosophischer Grundsatz findet sich im österreichischen BundesVerfassungsgesetz: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus“, heißt es da und, dass „die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grundlage der Gesetze ausgeübt werden darf“.
ist eine Weisheit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Zwei unterschiedliche Zugänge zu Rechtsgrundlage und philosophischer These, gemessen an diesem Maßstab, seien im Folgenden dargestellt.
Kickl‘s Ansage hat im Wahlkampf bei rechtsbewussten Staatsbürgern ablehnendes Kopfschütteln und Warnungen ausgelöst. Sein „Sie werden schon sehen, was alles möglich ist“ und „Euer Wille geschehe“ waren weitere, vage Versprechen für das optionale politische Verhalten im Falle seiner Wahl. Man muss davon ausgehen, dass er das, was er sagt auch ausführen würde. Er hat die Wahrheit – ehrlich im doppelten Sinn – „zugemutet“.
Der Tiroler Bauernbund hat die autoritäre Maxime nicht nur angedacht, sondern in seiner politischen Praxis schon seit Jahrzehnten ausgeführt. Er hat sich nachgewiesenermaßen über ein dreiviertel Jahrhundert lang mit „gewollter Politik“ über bestehendes Recht hinweggesetzt. Er hat die Anwendung eines erfundenen Scheinrechtes durch die Agrarbehörde zu verantworten. Die praktische Ausführung ist herausragende, harte Realität. Die politisch Verantwortlichen haben der Bevölkerung die Wahrheit „nicht zugemutet“. Im Gegenteil, sie wurde und wird verschwiegen, verdreht, verbogen und medial vernebelt. Die Täuschung Tirols durch Bauernbundfunktionäre, Landesregierung und Beamte hat mit Unterstützung der Medien stattgefunden.
Die politisch motivierte Veränderung von geltenden Spielregeln hat grundsätzlich disruptives Potential. Zerstörung kann nicht die Basis irgendeiner friedvollen sozialen Ordnung, so auch unseres Rechtsstaates, sein. Das „Pfeifen auf die Spielregeln“ und ähnliche Denkweisen haben die gleichen autoritären Wurzeln. Es ist das Bestreben von autoritär gesinnten „Mächtigen“, die Verfügungsgewalt über ein Gemeinwesen außerhalb einer bestehenden, demokratischen Rechtsordnung zu erreichen. Dies gab es in einigen Staaten Europas in totalitärer Ausprägung und dies gibt es in den verschiedensten Ansätzen auch heute. Es ist ein Aufwärtstrend sichtbar, Realisierungen, Umsetzungsversuche und Versprechen werden berichtet.
„Politik geht vor Recht“ ist eine Maxime, die seit Beginn der Grundbuchsanlegung die Politik des Tiroler Bauernbundes bei allen Fragen betreffend Grund und Boden, der Raumordnung und des Eigentums bestimmt.
Warum? Die Anlegungsgesetze zum Grundbuch sind beispielhafte Gesetzgebung der k.k. Monarchie. Die Grundbuchsdaten des historischen Grundbuchs sind unbestreitbar. Sie sind das Ergebnis einer ehrenvoller Beamtentradition. Die „Unbestreitbarkeit“ wurde in Verfahren „ausgetestet“. Daraus wurde logisch gefolgert, dass gewollte Veränderungen nur auf politischem Weg realisierbar sind. Die demokratische Variante über den Gesetzgeber wurde nicht gewählt. Eine Umsetzung konnte daher nur durch vom Bauernbund personell bestimmte Landesregierungen bzw. Agrarbehörden erfolgen. Seine personelle Dominanz ist seit der Monarchie bis heute gegeben. Mit Ausnahme der NS-Zeit, wo aber fallweise personelle Kontinuitäten gegeben sind.
Die Zeitung ist, wie auch andere Druckerzeugnisse des Bauernbundes, Spiegel der latenten autoritären Gesinnung. In wechselnder Intensität wurden und werden Themen und Methodik unverhohlen zum Ausdruck gebracht. So wurde in der Festschrift „75 Jahre Tiroler Bauernbund“ zum Ständestaat auf Seite 94 geschrieben: „Um das Parlament trauerte niemand.“ In diesem Kontext ist die Tiroler Bauern-Zeitung vom 20 04 1938 zu verstehen.
Link Tiroler Bauern-Zeitung vom 20 04 1938
Dazu ist unbedingt festzuhalten, dass zu den ersten NS-Aktivitäten nach dem Anschluss am 13. März 1938 auch die zwangsweise, vollständige Ablösung der Führung von öffentlichen Institutionen, so auch des Bauernbundes, durch NS-Parteigänger zählte. Die neu eingesetzten Funktionäre biederten sich in der Tiroler Bauernzeitung, die im Namen des Tiroler Bauernbundes und der Tiroler Landwirtschaftskammer erschien, bei den anfänglich gutgläubigen Mitgliedern an, um sie mit deutschnationalen Parolen und NS-Propaganda zu gewinnen.
Einige Aspekte mögen auf fruchtbaren Boden gefallen sein:
Nach 1945 hieß es wieder: „Der Bauernbund ist Schutz und Wehr – Tiroler Bauern Recht und Ehr“. In der Echokammer von Facebook, man muss den „Stille Post-Effekt“ einkalkulieren, wurde dies von einem Mieminger Landwirt so formuliert: „Des Bauerns Recht und Ehr ist Schutz und Wehr!!!“
Oder auch die Absichtserklärung zur Waldwirtschaft. Die Behauptung der „internationalen Verfilzung“ ist angesichts der Eigentumsverhältnisse in Tirol von besonderer Originalität.
Der Erfolg der populistischen Parolen und Worthülsen spricht leider für sich. Ergebnisse der Volksabstimmung:
Im Bezirk Lienz, damals dem Gau Kärnten zugehörig, wurde durch die Landesbauernschaft Südmark und Agrarbehördenleiter Dr. Haller erstmals und beispielgebend auf die Regeln gepfiffen. Denn auch im NS-Staat war das Eigentum grundrechtlich geschützt. Die totalitäre Realität der im Bauernbund latenten Maxime „Politik geht vor Recht“ wird hier vorgeführt:
Anlässlich einer Tagung der Landesbauernschaft Südmark Abt. 1 wurde am 7. Juni 1939 nach Lokalaugenschein eine Niederschrift mit einem Grundsatzbeschluss verfasst: „[…] von allen Teilnehmern zum Ausdruck gebracht, dass die Überführung aller ehemaligen Fraktions- und Gemeindegüter in das Eigentum von körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaften (Nachbarschaften) durch die Agrarbehörde die beste und zweckmäßigste Lösung sei, durch die eine Beruhigung innerhalb der bäuerlichen Bevölkerung eintreten und die Durchführung von Eingemeindungen wesentlich erleichtert werden würde.“ Oder anders formuliert, es ging den Funktionären der NS-Landesbauernschaft darum, durch Verschenken des Gemeindeeigentums das Wohlwollen der Bevölkerung zu erringen.
Die von der Agrarbehörde durchgeführten „Eigentums-Überführungen“ waren mit dem Reichsstatthalter politisch abgestimmt. Der Vorgang musste an den Reichsminister in Berlin berichtet werden.
Die Eigentumsentziehung, das fundamentale Unrecht, wird als „Überprüfung“ bagatellisiert. Ausführung und Darstellung sind als Modellfall anzusehen.
Der 1945 wurde unter alter Führung der Tiroler Bauernbund, mit sofortiger Einbeziehung des Bezirkes Lienz, reaktiviert. Er hat es verabsäumt, sich eindeutig von der Politik und vom verursachten Unrecht des totalitären, faschistischen Regimes, zu distanzieren. Insbesondere betrifft dies die Entziehungen des Gemeindeeigentums – aller ehemaligen Fraktions- und Gemeindegüter. Selbst später ist in der sehr ausführlichen Festschrift zum 75-Jahr Jubiläum kein Hinweis auf die rechtlosen Vorgänge und auf Haller zu finden.
Die Eigentumsentziehungen wurden fortgesetzt. Als politische Begründung wurde die „Sicherung der alten Rechte“ vorgeschoben, das Ziel war wiederum die Gewinnung des Wohlwollens und des Vertrauens der bäuerlichen Bevölkerung. Mit dem Verschenken des Gemeindegutes durch die Landesregierung, ausgeführt von der weisungsgebundenen Agrarbehörde, wurde ein bewährter Weg weiter verfolgt.
Verschwiegene Eigentumsentziehung: Man möchte nun glauben, dass diese „Eigentumsübertragungen“ der Agrarbehörde nach 1945 weithin sichtbar als Erfolgskapitel auf die Fahnen des Bauernbundes geheftet worden wären. Mitnichten. Sie wurden ebenso verschwiegen wie die gesetzlosen Aktivitäten Hallers.
Die Maxime „Politik geht vor Recht“, ist von umfassendem Vernebeln der Fakten begleitet. Hier wird von der Tiroler Bauernzeitung die Basisarbeit geleistet. Als Beispiel: Die Fehlinterpretation und die „Vernaderung“ der Entscheidung des Höchstgerichtes (und nicht nur dieser) entspricht dem autoritären Denkansatz des Bauernbundes.
Im Lichte des später erschienen Werkes von H. Kienberger „Das Gemeindegut als Verfassungsproblem“ liegt hier eine rechtsfremde, peinliche Einschätzung vor.
Die Recherche und die Präsentation der Haller’schen Aktivitäten im Bezirk Lienz hat Bauernbund und Landesregierung zu unverständlich hysterischen Reaktionen veranlasst: In der Tiroler Bauernzeitung wurde behauptet, ein gesamter Stand werde in die NS-Ecke gestellt. Ein Unfug sondergleichen. Entschuldigungen wurden gefordert, der Landeshauptmann hat einen Brief an alle Bürgermeister geschrieben, ein Historiker hat mit einem Gutachten seinen wissenschaftlichen Ruf ramponiert und viele entbehrliche Äußerungen wurden von Unberufenen im Landtag und in der Öffentlichkeit getätigt.
Die alleinige Verantwortung von Agrarbehörde, Landesregierung und damit Bauernbund für das Jahrhundert-Unrecht wurde von den Medien, obwohl in Kenntnis aller höchstgerichtlichen Erkenntnisse, auch bei dieser Gelegenheit in keiner Weise untersucht, herausgearbeitet und beschrieben.
Die ÖVP stellt seit 1945 den Landeshauptmann und dominiert die Landesregierung. Die Verantwortung aller hier besprochenen Regierungsaktivitäten ist dem Bauernbund zuzuordnen. Eine Bauernbundgröße hat vor vielen Jahren formuliert: „Die ÖVP ist das Klavier, auf dem der Bauernbund spielt“. Die klimpernden Hände waren die Tiroler Landesregierung und die weisungsgebundene Agrarbehörde.
Die Landesregierung hat offenkundig keine höchstgerichtliche Überprüfung der gesetzlosen Eigentumsübertragungen der Agrarbehörde Lienz, Behördenleiter Dr. Haller, angestrebt. Die Absicht, das totalitäre Musterbeispiel unmittelbar fortzusetzen, ist durch Dokumente dokumentiert.
Die Aktivitäten der Agrarbehörde sind einer durchgehenden Strategie untergeordnet. Das Ziel ist erkennbar die möglichst weitgehende Herauslösung des Gemeindegutes aus dem Gemeinderecht. Juristisch dienten dazu TFLG-Novellen, organisatorisch wurden scheinbare Parallelverantwortungen geschaffen. So ist der Gemeindeverband vom Tiroler Bauernbunde mit Beschluss vom 4 Feber 1947 gegründet worden. Seit der Monarchie waren und sind Gemeinden und Gemeindeaufsicht im Gemeinderecht hinreichend definiert. Der zusätzliche Verein diente ausschließlich dem Gedanken „teile und herrsche“, man hat ein Beiwagerl zum Rechtsstaat geschaffen. Der Zugang waren die Bürgermeister. Rechtlich wurden die Grundbuchsanlegung, die Gesetzesgrundlagen und die Genauigkeit der Ausführung in Wort und Schrift angezweifelt und bestritten. So zu lesen bei den Agrarbehördenleitern Vogl und Mair und zuletzt beim bezahlten Gutachter Sandgruber.
Nach Hallers „Beruhigung der bäuerlichen Bevölkerung“ wurde von Anfang an die „Sicherung der alten Rechte“ als zentrales Motiv vorgeschoben. Daher kam es zur TFLG-Novelle 1952. Es war ein plumper Vorwand, denn die im Grundbuch eingetragenen Rechte sind von den Gemeinden nie in Zweifel gezogen worden. LR Wallnöfer hat den Vorwand im Landtag vertreten, um die Novelle zu rechtfertigen. Der totalitäre Denkansatz ist immer mit vereinfachenden Formulierungen der populistischen Ansprüche verbunden.
So ist die Berufung auf TFLG § 38 (2) identisch mit einer Begründung Hallers. Das damit behauptete Recht der Agrarbehörde, Eigentum übertragen zu dürfen, ist ein konstruiertes Scheinrecht, eine Rechtsanmaßung.
Die Landesregierung hat bei abweichenden Rechtsmeinungen mit Maßregelungen und sogar polizeilicher Überwachung reagiert. Die Vorgänge konnten in den betroffenen Gemeinden auf Grund der Einbindung der Gemeinderäte nicht unbemerkt bleiben. Einige wenige haben die Rechtswidrigkeit der Vorgänge erkannt und den Mut gefunden, zu protestieren. Im obigen Fall von Iselsberg-Stronach war es die Androhung staatsanwaltlicher Verfolgung.
Vorträge der Agrarbehördenleiter bei Behördenleiter-Tagungen dienten der Verbreitung des Scheinrechtes und den zugehörigen Begründungen.
Mair Behördenleitertagung 1958
Die Praxis belegt der 10-Jahresbericht des Behördenleiters Dr. Mair an LR Wallnöfer, den Agrarreferenten der Landesregierung. Hallers Beispiel für die gewollte Politik des totalitären NS-Regimes wird darin nicht erwähnt.
Mair 10-Jahresbericht Wallnöfer 1959
Selbst die TT ist verwundert über die Einschränkungen der Informationsmöglichkeiten im Landesarchiv durch den Landesagrarsenat.
TT 2009 05 02 Geheime Agrarakten
TT 2013 01 02 Brisante Akten Mair Girstmair Ainet
Nur als halbamtlich ist das Abdrehen der Website des Gemeindeverbandes über das Gemeindegut und die Agrargemeinschaften einzustufen, die Einflussnahme des Bauernbundes ist bekannt.
Im Lauf der Jahre wurden von Landtagsabgeordneten mehrere Anfragen über Gemeindegut und Agrargemeinschaften an die Landesregierung gestellt. Bisher wurden alle unvollständig, ungenau oder falsch beantwortet. Eine autoritär gesteuerte Behörde missachtet den Landtag, also den demokratisch bestimmten Gesetzgeber. Dies mag den Mehrheitsparteien „wurscht“ sein, es ist jedoch eine grobe Verletzung der Abgeordnetenrechte.
Es reicht über den Tiroler Bauernbund und die Tiroler Bauern-Zeitung hinaus. Die Leitmedien des Landes lassen sich willfährig missbrauchen. Sie verschweigen der Rechtsgrundlagen, vernebeln die Fakten, unterdrücken veröffentlichte Meinungen und verbreiten die Unwahrheiten der Bauernbundführung als gleichwertige Rechtsmeinungen. Dies geschah und geschieht so gründlich, dass selbst der angesehene Anwalt Dr. Rudolf Wieser einmal angemerkt hat: „Wir hatten von der Sache keine Ahnung“.
Die Erhaltung dieser Ahnungslosigkeit ist auch der TT vom Freitag, 28. Juni 2024, ein Anliegen: Die bekannte Unwahrheit wird zum wiederholten Male zitiert, vom Versuch einer sachlichen Überprüfung der Aussagen ist wie immer keine Rede. Redaktion und Berichterstatter pfeifen auf die fundamentalsten Regeln sachlicher Journalistik. „Mein Wille geschehe“ wurde damit den Gemeinden und der Gemeindepolitik vom Bauernbund über die Medien ausgerichtet. Aktuelle Assoziationen liegen auf der Hand.
„Die ÖVP ist das Klavier, auf dem der Bauernbund spielt“. Die produzierten Misstöne reduzieren den Applaus für das Klavier von Wahl zu Wahl.
Die Missachtung der Regeln sachlicher Journalistik wächst auf dem gleichen autoritären Misthaufen wie der Denkansatz „Politik geht vor Recht“. In beiden steckt der Versuch, unseren Rechtsstaat und seine ethischen Grundlagen zu zerstören.
Im Buch „Die Täuschung Tirols“ ist die Entwicklung von der politischen Forderung bis zur rechts- und verfassungswidrigen Umsetzung ab 1945 detailliert belegt nachzulesen.
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