Ein seltsamer Artikel in der Tiroler Tageszeitung, das Schweigen des ORF trotz ausführlicher Aufnahmen zur Buchpräsentation „Die Täuschung Tirols“ und ein bald danach erschienener Artikel in Die Presse vom 26 07 2024 fordern eine Betrachtung der politischen Berichterstattung in Tirol heraus. Wegen der treffenden Analogien und der unmissverständlichen Definition der ersten Aufgabe des Journalismus wird der hervorragende Text hier vollständig wiedergegeben:
„Quergeschrieben von Christian Ortner“
Joe Bidens Fall: Wenn Berichterstattung mehr zudeckt als aufdeckt
Die Art und Weise, wie viele Medien in den letzten Monaten Bidens Gesundheitszustand vertuschten, um nicht Trump zu helfen, war ein journalistisches Debakel.
Wer in den vergangenen Monaten die öffentlichen Auftritte des amerikanischen Präsidenten beobachtete, konnte auch ohne abgeschlossenes Neurologiestudium zum Schluss kommen, dass Joe Biden, was in seinem Alter ja nicht ungewöhnlich ist, verwirrt, orientierungslos und nur eingeschränkt Herr seiner Sinne ist. Und zwar nicht erst seit jener Fernsehdebatte mit Donald Trump, die Auslöser seiner Resignation als Kandidat der Demokraten war, sondern schon viel früher.
Umso paradoxer erscheint da, dass gerade die Vertreter jener Berufsgruppe, deren gottverdammter Job es normalerweise ist, derartige Dinge zu untersuchen, zu analysieren und einzuordnen, diese Fakten weitgehend negierten, unterschlugen oder kleinredeten: die meisten Journalisten und Medienmenschen, in den USA genauso wie in Europa.
Wir haben es hier, wieder einmal, mit einem klaren Fall von Medienversagen zu tun.
Mehr noch, jene eher wenigen Medienmenschen, die Bidens offenkundiges Problem ansprachen, mussten sich regelmäßig als Trump-Trolle, Demokratiegefährder und natürlich üble Rechte beschimpfen lassen.
Nicht nur in den USA, übrigens. Ein sogenannter Faktenchecker der deutschen ARD befand noch Ende Juni 2024: „Verwirrt, dement – mit diesen Schlagwörtern werden in Netz immer neue Videoschnipsel hochgeladen, die die mentale Gesundheit von US-Präsident Joe Biden infrage stellen.“ Und zwar natürlich, um Trump zu helfen und „eine deutliche Verschiebung nach rechts zu bewirken“. „Der Spiegel“ wiederum sorgte sich vor allem darum, dass „eine Diskussion über seine geistige Verfassung Bidens Wiederwahl gefährden könne“.
Doch während die deutschsprachigen Medien ihre diesbezügliche Minderleistung wie üblich einfach übergehen und die nächste Sau durchs Dorf treiben, beginnt in den USA wenigstens eine Art von Selbstkritik innerhalb des sogenannten Qualitätsjournalismus.
So schrieb etwa die ehemalige „New York Times“-Chefredakteurin Jill Abramson: „Es ist klar, dass die besten Nachrichtenreporter in Washington bei der ersten Aufgabe des Journalismus versagt haben: die Macht zur Rechenschaft zu ziehen. Es ist unsere Pflicht, die Nebelwände des Weißen Hauses zu durchdringen und die Wahrheit herauszufinden. Dem Weißen Haus von Biden ist es eindeutig gelungen, das Ausmaß der Schwäche des Präsidenten und seinen ernsthaften körperlichen Verfall zu vertuschen. Es ist eine Schande für das Pressekorps des Weißen Hauses, dass es den Schleier der Geheimhaltung um den Präsidenten nicht gelüftet hat.“
Dass dies nicht geschehen ist, ist natürlich nicht irgendeiner dubiosen Verschwörung – Stichwort Lügenpresse – geschuldet. Viel eher haben wir es hier aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Mischung aus fehlgeleitetem Corpsgeist, einer unter Journalisten besonders verbreiteten Abneigung gegen Donald Trump, damit in Verbindung stehenden mangelnden Recherche-Elan und dann daraus resultierender Berichterstattung, die mehr verdeckt als sie enthüllt, zu tun.
„Haben die Medien eine Geschichte versäumt, die direkt vor ihren Füßen lag?“, fragte die Nachrichtenagentur Associated Press dieser Tage eher rhetorisch, und die Antwort ist, aus genau diesen Gründen, natürlich Ja.
Die Folgen dieser fehlerhaften Berichterstattung hat der deutsche Publizist Gabor Steingart trocken auf den Punkt gebracht: „Die Glaubwürdigkeit der freien Presse, die sich in den vergangenen Monaten darauf konzentrierte, Trump zu bekämpfen und Biden zu schonen, hat erneut Schaden genommen. Bidens Gesundheitszustand war eine politische und keine private Angelegenheit“ („Pioneer“, 22. Juli 2024).
Eine ganz hervorragende Gelegenheit, den erlittenen Glaubwürdigkeitsschaden zumindest teilweise zu reparieren, wird der sich nun entfaltende US-Wahlkampf bieten. Ich fürchte allerdings, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Medien diese Chance auch nutzen werden, eher überschaubar dimensioniert ist. Fehlerkultur und diesbezügliche Lernfähigkeit gehören leider nicht zu den Kernkompetenzen der Medienindustrie.
E-Mails an: debatte@diepresse.com
Zurück zur Politik-Berichterstattung in der Tiroler Tageszeitung:
Über das Buch wurde nicht berichtet. Seine politische Hauptaussage, der Vorwurf an die Agrarbehörde, in Missachtung des Art. 18 der Verfassung, über ein Dreivierteljahrhundert lang ein erfundenes Scheinrecht in Ausübung ihres Amtes angewendet zu haben, wird nicht erwähnt. Wie auch der Amtsmissbrauch der rechts- und verfassungswidrige Entziehung des Gemeindeeigentums unter Vortäuschung der Rechtmäßigkeit.
Stattdessen wurde der Schwerpunkt auf die Forderung nach einem Rückübertragungsgesetz gelegt, um so LR Geisler die Gelegenheit zur Wiederholung jener altbekannten Unwahrheit zu geben, die bereits von LH Platter und LR Tratter verbreitet wurde.
„Und das ist auch die Forderung, die gestern ans Land ging: anstelle des Agrargesetzes ein „Rückübertragungsgesetz“ zu schaffen. Das wiederum kommt Geisler nicht in den Sinn: „Bereits im ersten Erkenntnis zu Mieders im Jahr 2008 hat der Verfassungsgerichtshof eine Übertragung des Grundeigentums als verfassungswidrig ausgeschlossen.“ Die Gemeinden hätten bereits „vollen Zugriff auf die agrargemeinschaftlichen Grundstücke sowie deren Vermögen. Geisler: „Für die Gemeinden passt das.“ Den Amtsmissbrauchs-Vorwurf weist er zurück. Der Rest sei nichts als „Theaterdonner“.“
TT 28 06 2024
In Abwandlung der Vorgabe der ehemaligen „New York Times“-Chefredakteurin Jill Abramson wird allerdings klar, dass der Redakteur bei der ersten Aufgabe des Journalismus versagt hat: die Macht zur Rechenschaft zu ziehen. Es ist seine Pflicht, die Nebelwände des Landhauses zu durchdringen und die Wahrheit herauszufinden.
Die Unwahrheit wird, auch durch die Geisler gebotene Gelegenheit sie zu wiederholen, nicht zur Wahrheit. Mehr noch, das ist kein Einzelfall, wir haben es mit fortgesetztem Medienversagen zu tun, es wird weiterhin Nebel verbreitet.
Jeder Tiroler Politik-Berichterstatter sollte nach dem Erkenntnis des VfGH 1982 und spätestens nach dem Erscheinen des Buches „Das Gemeindegut ein Verfassungsproblem“ von Dr. Heinrich Kienberger in der Lage sein, ein wahrheitsgetreues Bild zu zeichnen. Zumal Kienberger ein doppelter „Insider“ für diese Materie war: Als Beamter und Vorstand der Abteilung Verfassungsdienst und der Gruppe Präsidium des Landes Tirol, sowie als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes. Berichterstatter und Redaktion wollen offenkundig nicht hinreichend informiert sein. Sie versagen.
Die rechts- und verfassungswidrigen Eigentumsentziehungen wären ohne die amtlich verfügte Indoktrinierung und vor allem ohne die Willfährigkeit der Medien nicht umsetzbar gewesen.
Mehr zur Rückübertragung:
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