Eduard Wallnöfer[1]: „Ohne täglich zweimal einen Missbrauch der Amtsgewalt zu begehen, kann man dieses Land nicht regieren“.[2] Dies nur als launiges Bonmot eines „Landesfürsten“ zu verstehen ist ein Fehler. Es ist bei den „agrarischen Operationen“ in den Gemeinden zu einer Verhaltensnorm der Mehrzahl der Bürgermeister und Gemeinderäte geworden. Sie schädigen die von ihnen vertretenen Gemeinden. Das agrarische Hemd ist ihnen näher als der Rock des Rechtsstaates.
Kaiser Ferdinand I.[3] hat das Gemeindegut gegeben, die agrarischen Landesfürsten haben es genommen. Der Kaiser war legitimiert, die Landesfürsten haben gesetzlos gehandelt. Unter dem Druck der gesellschaftlichen Entwicklung hat der Herrscher 1847 Grund und Boden an die Gemeinden abgegeben. Mit dem provisorischen Gemeindegesetz von 1849 hat eine kluge Staatsverwaltung den Gemeinden vorgegeben, wie sie ihr Vermögen, seine Nutzung und die damit unverändert verbundene Rechte zu verwalten haben. Dies hat sich in der Monarchie und auch in der 1. Republik bis 1938 bewährt. Die gleiche Staatsverwaltung hat die bestehenden Vermögen an Grund und Boden und die damit verbundenen Rechte in damals modernster Weise durch das neue Grundbuchsrecht der Monarchie erfasst und die Aufzeichnungen in den Grundbüchern öffentlich zugänglich gemacht. Diese Aufzeichnungen erfolgten durch die Justiz, nach den Regeln von Justiz-, Finanz- und Landwirtschaftsministerium mit mehrstufigen Rechten der Betroffenen und unter Beiziehung landwirtschaftlicher Interessensvertreter. Dadurch war nach menschlichem Ermessen Rechtssicherheit für alle Eigentums- und Nutzungsrechte gegeben.
Der Tiroler Bauernbund[4] war mit den kaiserlichen Eigentumsübertragungen offenkundig nicht zufrieden und hat in seinem Gründungsprogramm von 1904 die Forderung nach Übertragung des Eigentums der Teilwälder an die Nutzungsberechtigten erhoben. Durch seine politische Dominanz hat er 1910 eine Gesetzesänderung des Gemeinderechts erwirkt, die es den Gemeinden erlaubte Nutzungsrechte als Eigentumsrechte anzuerkennen. Dies konnte in einem nur kurzen Zeitraum, vorwiegend in Osttirol und im Unterland, mit zahlreichen Anerkennungsurkunden gesetzeskonform genutzt werden.
Das autoritäre NS-Regime hielt es für notwendig, die Gunst der Bevölkerung in Osttirol durch das Verschenken von Gemeindegut, mit rechtswidrigen Eigentumsübertragungen ohne jede gesetzliche Grundlage, zu gewinnen. Dieses Ziel und dieser Weg wurden nach 1945 nahtlos vom wiederum dominanten Bauernbund in ganz Tirol strategisch geplant fortgesetzt. Mangels autoritärer Durchsetzungsmöglichkeiten wurde eine abgestufte Vorgangsweise praktiziert:
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Denunzierung der Grundbuchsanlegung als grundsätzlich fehlerhaft
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Verfälschung und Verschweigen aller wesentlichen Eigentums-Paragrafen der GB-Anlegungsgesetze
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Unwahre Behauptung der Mehrdeutigkeit der Eigentümerbezeichnungen im Grundbuch
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Unwahre Behauptung, dass allein die Bezeichnung den Eigentümer definiert – damit Erfindung eines Scheinrechtes, das nirgends niedergeschrieben oder belegbar ist
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Rechtsunsicherheit und Rechtsverwirrung wurden erzeugt
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Indoktrinierung der Agrarbehörde mit dem erfundenen Scheinrecht durch Behördenleiter und pseudowissenschaftliche Literatur
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Unwahre Behauptung der Gefährdung alter Rechte – daher Notwendigkeit der Selbstverwaltung durch die Nutzer des Gemeindegutes in zu gründenden öffentlich-rechtlichen Agrargemeinschaften
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Behauptung der alleinigen Zuständigkeit des TFLG für das Gemeindegut nach der Gemeindeordnung – Entrechtung der Gemeinden
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Vereinnahmung der Leitmedien zum Zweck der medialen Vernebelung – unwahre Behauptungen von Politikern fanden und finden mehr Platz als die reale gesetzliche Lage
Durch Kurzbiographien von Gemeinden wird augenscheinlich, dass die Tiroler Landesregierung mit den gesetzlosen, rechts- und verfassungswidrigen Eigentumsentziehungen nicht nur Serien- und Wiederholungstäter in Eigentumsfragen ist. Die Gemeinden wurden entrechtet und es wurde eine ausgewogene, bewährte Verwaltung schwer beschädigt. Und, darüber hinaus ist in Anlehnung an das große Vorbild der legere Umgang mit dem Rechtsstaat zum Kavaliersdelikt für Bürgermeister und Gemeinderäte geworden. Das schlechte Beispiel hat Schule gemacht. Zur Verdeutlichung: gemäß der Auskunft Geislers haben 67 (i.W. sechzigsieben) Gemeinden keinen Einspruch gegen ihre Entrechtung durch agrarische Operationen erhoben. Das sind bei weitem nicht alle, da die Liste erheblich unvollständig ist.
Kastration der Gemeinderechte
Bei einer Eigentumsübertragung in Sölden hieß es noch 1931: „Zl. VI-1299/3 Vorliegende Urkunde wird vom Standpunkt der Aufsicht über das Gemeindevermögen genehmigt.“ Diese Aufsicht wurde von der Landesregierung nach 1945 nicht mehr ausgeübt. Dieser Vermerk findet sich auf keiner Regulierungsurkunde. Im Gegenteil: Den Gemeinden wurde vom „Beschützer“ selbst gesetzlos, rechts- und verfassungswidrig Vermögen genommen. Gemeindegut wurde Beutegut. Die Rückgabe des genommenen Eigentums müsste, wie bei allen Vermögensdelikten, der erste und übliche Schritt sein. Die vom Bauernbund dominierte Landesregierung hat dies verhindert. Beute und Beutezug wurden legalisiert. In einem Rechtsstaat! Ein Traum für jeden rechtsbrechenden Nehmer. Dies kann nur als bewusste Verhöhnung der Institution „Gemeinde“ und der „nicht nutzungsberechtigten“ Bevölkerung durch die heimlichen „Landesfürsten“ verstanden werden.
Das Gemeindegut mit zugehörigen Rechten, Pflichten und Finanzen wurde durch eine Novellierung dem Regime des TFLG unterstellt. Mit allen Folgen, die heute beklagt werden. Es wurde der finanzielle Hintergrund und der politische Spielraum der Gemeinden zerstört. Sie wurden abhängig gemacht, zum Bittsteller bei der Landesregierung degradiert. Eine Sonderverwaltung für das Gemeindegut wurde errichtet. Sinnlose Überbürokratisierung und finanzielle Schwächung der Gemeinden sind die Folge von Vermögensentzug und Entrechtung.
Das Konzept der öffentlich-rechtlichen Agrargemeinschaften als Verwaltungs-Ersatz für die Gebietskörperschaften der Gemeinden ist wegen Zweckverfehlung krachend gescheitert. Es war nur ein Vorwand für eine einseitige Vermögensumverteilung. Der Mieminger Altbürgermeister Spielmann hat dies bereits in den 70er Jahren erkannt. Große Teile des Vermögens wurden „versilbert“ und die Erträge daraus sind nicht öffentlichen Projekten zugeflossen, sondern im privaten Bereich versickert.
(Siehe auch >>75 Jahre AG Obermieming>>).
KG Mieming |
m² |
Auskunft Geisler |
AG Obermieming |
8 648 703 |
GGAG |
AG Untermieming |
3 974 869 |
GGAG |
AG Barwies |
2 648 931 |
GGAG |
AG See Tabland Zein |
3 596 322 |
GGAG |
AG Fronhausen Gschwendt |
2 945 849 |
GGAG |
AG Feldernalpe |
2 044 086 |
GGAG |
AG Seebenalpe |
8 905 681 |
GGAG |
32 764 441 |
||
KG Obsteig |
||
AG Marienbergalpe |
1 617 321 |
vormals kein Gemeindeeigentum |
AG Alpinteressentschaft Simmering |
1 999 196 |
keine Eigentumsübertragungdurch Regulierungsplan |
36 380 958 |
Auch der Gemeinde Mieming wurde das gesamte Gemeindegut rechts- und verfassungswidrig durch agrarische Operationen entzogen. Nach den Erkenntnissen des VfGH zur Gemeinde Mieders hat der Bürgermeister Dr. Gapp mit Pflichtbewusstsein und Mut die rechtlich notwendigen Schritte unternommen, um nach den vorhandenen Möglichkeiten die Substanz und die Substanzrechte wieder der Gemeinde zugänglich zu machen. Sieben sogenannte Gemeindegutsagrargemeinschaften waren die Folge. Dr. Gapp musste sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen.
Seinen Nachfolgern war und ist das agrarische Hemd näher als der rechtsstaatliche Rock. Sie halten sich bei der Vertretung der Gemeinde, bei der Inanspruchnahme von Substanz und Substanzrechten an die oben erwähnte Norm.
Der Landesgesetzgeber hat im Rechnungswesen bewusst ein agrarisches „Hintertürl“ für rechtswidrige „Selbstbedienung“ eingebaut. Grundsätzlich wird die Verrechnung der Substanzeinnahmen und -ausgaben durch einen eigenen, vom Gemeinderat gewählten, Rechnungsprüfer auf die sachliche Richtigkeit kontrolliert. In Mieming wurde der Jahresabschluss der jeweiligen AG vom Gemeinderat auf Empfehlung des Bürgermeisters unabhängig vom Prüfungsbericht genehmigt und der Agrarbehörde zur statistischen Auswertung übergeben, wo eine weitere Kontrolle auf die sachliche Richtigkeit nicht vorgesehen ist. Es ist eine amtlich installierte Pseudoprüfung. Bei entsprechend gesteuerten Abstimmungen im Gemeinderat und willfährigen Rechnungsprüfern kann für alles und jedes die Ordnungsmäßigkeit festgestellt werden. Erhebliche Kontobewegungen von Gemeindegeldern unterliegen allein dem Gutdünken des örtlichen Gemeinderates und verbleiben somit außerhalb der Kontrollkreise der Gemeindeaufsicht nach der TGO. Gemeindeaufsicht bezüglich der Substanzgelder ist von Gesetzes wegen nicht vorgesehen.
Die Benutzung des „Hintertürls“ hat insbesondere bei der AG Obermieming in Bezug auf die Golfplatzpacht und die Golfplatzpflege stattgefunden.
Näheres dazu in:
>>Prüfbericht an Abteilung Agrargemeinschaften>>
Das erste Anliegen von Bürgermeister Dr. Dengg war, die Vertretungsvollmacht von Dr. Brugger beenden. Seine übrigen Tätigkeiten zum Substanzrecht der Gemeinde kann nur als Verspottung des Rechtsstaates umschrieben werden. Ausgeführt vom vereidigten Bürgermeister und pragmatisierten Gemeindesekretär!
Seine Bemühungen zu den Agrargemeinschaften Marienbergalpe und Simmeringalpe waren enden wollend.
Bürgermeister Martin Kapeller ist bisher nicht durch Initiativen für die Substanzrechte der Gemeinde aufgefallen, was aber bei einem Angestellten der Landeslandwirtschaftskammer nicht besonders verwunderlich ist. Hier gilt, das agrarische Hemd und das zusätzliche Kammer-Joppele sind näher als der Rock des Rechtsstaates. Für die interessierten Bürger ist es vielleicht hilfreich zu wissen, dass die Personalkosten der Landwirtschaftskammer mit jährlich rund € 6 Mio. durch das Land Tirol, also vom Steuerzahler, berappt werden.
Agrargemeinschaften Marienbergalpe
Die AG Marienbergalpe wurde von der Agrarbehörde als Gemeindegutsagrargemeinschaft festgestellt. Die Behandlung der erhobenen Beschwerde durch den LAS ist ein Musterbeispiel für das gesamte verübte Agrarunrecht. Der LAS ignoriert die eindeutigen Bestimmungen der Grundbuchanlegungsgesetze und führt eigene Definitionen, sogar über das bekannte, erfundene Scheinrecht hinaus, ein. Die gesetzlichen Bezeichnungen nach dem gerichtlichen Wortlaut sind nach Meinung des LAS irrelevant, mit Fraktionen wären die „auftriebsberechtigten Höfe“ gemeint! Die Bestimmungen zum Miteigentum des § 34 (6) der Vollzugsvorschrift werden ausgeblendet.
Was für ein juristischer Unfug.
Kalkuliert für uninformierte, willfährige Geister, die diese verfehlte Entscheidung gehorsamst „abnicken“. Politisch verständlich, aber keineswegs erträglich wird die Entscheidung durch die Tatsache, dass der damalige Agrargemeinschaftsobmann der Sohn des damaligen Landtagspräsidenten ist. Hony soit, qui mal y pense.
Dr. Dengg und der Mieminger Gemeinderat haben diese Entscheidung selbstverständlich mitgetragen, „abgenickt“. Unabhängige Rechtsberatung der Gemeinderäte ist nicht erfolgt.
Simmeringalpe
In einer Eigentumsgemeinschaft liegt eindeutig Fraktionseigentum, somit Gemeindeeigentum der Rechtsnachfolger Obsteig, Mötz und Mieming, vor.
Es gilt ausschließlich das einverleibte Eigentumsrecht. Das Eigentum der Simmering-Alpsinteressentschaft hat sich seit 1911 nicht verändert. Nur der LAS ignoriert auch hier die eindeutigen Bestimmungen der Grundbuchanlegungsgesetze und fordert die „Tatbestandsvoraussetzung des Eigentums“, als eigenen Definition über das erfundene Scheinrecht hinaus, ein. Auch das ist juristischer Unfug.
Obwohl nicht im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, hat laut LAS die Agrargemeinschaft Simmeringalpe sämtliche Eigentumsrechte ausgeübt, demnach auch die verbücherten Schulden aufgenommen. Hier ist das Wort „Tatbestand“ im strafrechtlichen Sinn einzubringen.
Wer haftet für diese Schulden? Die einverleibte juristische Person bzw. die Rechtsnachfolger als Eigentümer oder die nicht verbücherte Agrargemeinschaft, die nicht als Grundeigentümer existiert. Fahrlässige Geschäftsgebarung der Raiffeisenkasse Mieminger Plateau ist zu vermuten.
Es war die Verantwortung des Bürgermeisters Rechtsklarheit zu schaffen. Trotz des Hinweises von Dr. Brugger wurde der Rechtsweg abgebrochen. Die Gemeinderäte haben auch hier zugestimmt.
Wasser
Der Gebrauch der Wasservorkommen am Gemeindegut ist ohne jeden Zweifel ein wesentlicher Teil der Substanzrechte, die der Gemeinde zukommen. In Mieming wird das Wasseraufkommen von zwei Wassergenossenschaften besorgt, die unterschiedliche Strukturen haben. In Obermieming/Untermieming besteht die Genossenschaft aus Anteilsberechtigten der beiden Agrargemeinschaften. In Barwies/See/Tabland/Zein sind die angeschlossenen Verbraucher die Mitglieder der Genossenschaft. Im Grundbuch sind in den zugehörigen Einlagezahlen keine Wasserrechte vermerkt.
Noch vor den Gemeindegut-Erkenntnissen des VfGH gab es Überlegungen von Agrarfunktionären, Mieminger Wasser in ein größeres System einzuleiten und zu verkaufen. Dieser Umstand rechtfertigt es, durch eheste Prüfung das Substanzrecht der Gemeinde feststellen zu lassen. Bürgermeister Kapeller und der Gemeinderat sind aufgefordert, die hierzu notwendigen rechtlichen Schritte einzuleiten, um der möglichen Schädigung der Gemeinde vorzubeugen.
Fazit
Die Gemeinden wurden nicht nur durch die gesetzlosen, rechts- und verfassungswidrigen Eigentumsentziehungen schwer geschädigt, sondern es sind auch in der weiteren Verwaltung selbstschädigende Vorgänge festzustellen, die auch systemische Ursachen, mit geplanten „Hintertürln“ haben. Die Handlungsfreiheit des Bürgermeisters und des Gemeinderates kann in Gemeindegutsangelegenheiten nicht unkontrolliert bestehen. Genehmigungspflicht und Aufsicht müssen für alle Arten von Verträgen bestehen. Es ist eine Aufgabe des Gesetzgebers, die Gemeinderäte des Landes vor Rechtsmissbrauch, vor einer Wahl zwischen „Hemd und Rock“, zu schützen.
Die Rückgabe des rechts- und verfassungswidrig genommenen Eigentums an die Gemeinden muss, wie bei allen Vermögensdelikten, der erste und übliche Schritt sein. Damit ist die Eingliederung in das Gemeinderecht, die Abkoppelung vom TFLG und die Gleichstellung der Prüf- und Kontrollsysteme gegeben. Das TFLG ist in jeder Weise für die Verwaltung des Gemeindegutes ungeeignet.
[1] Bildnachweis Land Tirol
[2] Zitat aus der Zeitschrift „der Vinschger“, Publiziert in 35 / 2009 – Erschienen am 7. Oktober 2009
[3] Bildnachweis Wikipedia
[4] Bildnachweis Ausschnitt Tiroler Bauernzeitung von 1938