Aktuelles

TT: Verzicht auf Höchstgericht

Tiroler Tageszeitung, Printausgabe vom Mi, 14.12.2011, Imst
 
 
Verzicht auf Höchstgericht
Der Gemeinderat beschließt die Umsetzung der Entscheidungen des Landesagrarsenats bei zwei Agrargemeinschaften ohne weitere Rechtsmittel, die Opposition schäumt.
Anmerkung: Der wesentlichste Teil des Inhaltes des LAS-Erkenntnisses und der GR-Debatte wird im Bericht leider nicht angesprochen.

Von Thomas Ploder
Mieming – In Bezug auf die Agrargemeinschaften Barwies und See-Tabland-Zein liegen die rechtskräftigen Entscheidungen des Landesagrarsenats vor. In einzelnen Punkten herrscht dadurch Klarheit, weitere wurden an die Landesagrarbehörde zurückverwiesen. „Eine richtige Vorgehensweise“, verteidigt Bürgermeister Franz Dengg den Spruch des Senats, „andernfalls würde bei diesen Punkten im Verfahren eine Instanz verloren gehen“. Für die Opposition, allen voran GR Ulrich Stern, bedeuten die vorliegenden Fakten ein unüberschaubares Durcheinander voller Widersprüche.
Anmerkung: Durcheinander vielleicht, unüberschaubar nicht. Es ist nur schwer nachvollziehbar, dass z.B. Wege, die der Gemeinde im Zug des Regulierungsverfahrens als Gemeindegut genommen wurden, jetzt kein Gemeindegut mehr sein sollen. Da liegt mit Sicherheit keine verfassungskonforme Interpretation durch den LAS vor.
Nach einer, wie der Bürgermeister lobend feststellte, „erstmals konkret und sachlich geführten Debatte“ vor zahlreichen im Publikum vertretenen Agrariern schlug Dengg allerdings vor, die Entscheidungen des Landesagrarsenats anzuerkennen: „Gesetz zu leben und Entscheidungen zu akzeptieren.“ Entgegen der Empfehlung des Rechtsvertreters der Gemeinde stimmte der von Agrariern dominierte Gemeinderat mehrheitlich gegen den Weg vors Höchstgericht.
Anmerkung: Die § 40 Abs. (6) Entscheidung des LAS widerspricht diametral allen VfGH-Erkenntnissen. Wenn der VfGH bereits 1982 befunden hat, dass alle Substanzerlöse, d.h. alle Erlöse über die Nutzungsrechte hinaus ausschließlich der Gemeinde zustehen, dann kann ein Landesgesetzgeber nicht zwei Jahre später mit einer Novelle einen Absatz in das TFLG einfügen, der besagt, dass die Hälfte dieser Substanzerlöse den Nutzungsberechtigten zusteht. Oder er ist verfassungskonform zu interpretieren und nur auf andere denkbare landwirtschaftliche Erlöse anzuwenden. Außerdem widerspricht Abs. (4) dem Abs. (6), in dem es heißt, daß bei Grundverkäufen dem Nutzungsberechtigten nur der Bodenwert eines vergleichbaren Waldgrundstückes als Ablöse zusteht. § 40 Abs. (6) ist verfassungswidrig und wird zum erheblichen Schaden der Gemeinde und zu Gunsten der Nutzungsberechtigten angewendet. Es wäre die Pflicht des Bürgermeisters, Rechtssicherheit zu suchen und beim VfGH gemäß den Empfehlungen des Rechtsvertreters die Verfassungskonformität des TFLG § 40 Abs. (6) prüfen zu lassen, um damit einen möglichen Schaden von der Gemeinde abzuwenden. Wenn er das nicht tut, lädt er den Verdacht der Untreue auf sich.
Entgegen den schriftlichen Empfehlung des Rechtsvertreters stimmte der von Agrariern dominierte Gemeinderat mehrheitlich gegen den Weg vors Höchstgericht und begünstigte damit die Teilwaldnutzungsberechtigten, also sich selbst oder die eigene Verwandtschaft, jedenfalls nicht die Agrargemeinschaften. Zehn Gemeinderäte hätten wegen Befangenheit gemäß § 29 Abs. (1) lit a) bis d) nicht mitstimmen dürfen. Die Abstimmung ist klar rechtswidrig
Die vorliegenden und rechtskräftigen Entscheidungen würden die Gemeinde nicht schlecht stellen und man solle nun besser im direkten Gespräch zwischen Gemeinde und Agrargemeinschaften jene Lösungen suchen, die bisher oft gefordert, aber noch nie konkret in Angriff genommen wurden.
Anmerkung: Es ist Irreführung, zu sagen, daß die Halbierung der Substanzerträge die Gemeinde "nicht schlecht stellen" würde. Es ist Irreführung zu sagen, daß mit den Agrargemeinschaften im direkten Gespräch Lösungen gesucht werden könnten. Die Teilwaldnutzungsrechte sind ein der Einlagezahl zugeordnetes Nutzungsrecht. Darüber verfügt ausschließlich der Eigentümer der Einlagezahl, eine Agrargemeinschaft kann und darf über seine Rechte nicht befinden. Die Gemeinde müßte mit jedem einzelnen Teilwaldnutzungsberechtigten reden.
Für Ulrich Stern bedeutet der Verzicht auf die Beschwerden bei VfGH und VwGH insbesondere in Bezug auf die Teilwälder „einen erheblichen Schaden für die Gemeinde“. Die Gemeinde setzt somit auf die unverzügliche Umsetzung der Rechtslage, geht aber gleichzeitig davon aus, dass die Agrarier die vorliegenden Fakten nicht akzeptieren und ihrerseits vor die Höchstgerichte ziehen werden.
Zu emotionalen Debatten kam es auch wegen des Beschlusses des Gemeinderates zu einer „Aufsandungsurkunde“ für ein 739 Quadratmeter großes Grundstück, über dessen Erwerb keinerlei Unterlagen vorliegen. Neben einem formell korrekt erworbenen und bebauten Grundstück soll der Besitzer auch das daneben liegende 1965 erworbene und beide Parzellen durch eine gemeinsame Umzäunung zu einer Einheit zusammengeführt haben.
Nach handschriftlichen Vermerken in den Aufzeichnungen der Agrargemeinschaft soll im Jahr 1971 der Kaufpreis von damals 29.320 ATS geflossen, im Jahr 1973 ein entsprechender Kaufvertrag errichtet worden sein. Diese Dokumente gingen beim Käufer verloren, der Verkäufer ist unbekannt und die Papiere wurden auch nie bei der Grundverkehrsbehörde oder dem Finanzamt eingereicht. Deshalb sei das Geschäft nach Ansicht von GR Stern nichtig. Außerdem stünden wegen der Herkunft aus der Substanz der Agrargemeinschaft der Gemeinde Ausgleichszahlungen für die heute einen Verkehrswert von mehr als 200.000 Euro repräsentierende Fläche zu.
Die Juristen Bürgermeister Franz Dengg und GR Josef Rauch vertreten allerdings die Meinung, dass nach dem Verstreichen einer 40-jährigen Frist nun jedenfalls die Fläche, selbst wenn sie aus öffentlichem Gut stammt, als ersessen anzusehen ist. Der Gemeinderat stimmte der Aufsandungsurkunde mehrheitlich zu.

Bildunterschrift:
  Agrarier und Vize-BM Klaus Scharmer sowie BM Franz Dengg (r.) freuten sich über den Beschluss, die Entscheidungen anzuerkennen.Foto: Ploder
Anmerkung: Die Freude, gegen das eigene Gelöbnis, zum Schaden der Gemeinde und für den eigenen Hosensack abgestimmt zu haben, ist schwer nachvollziehbar. Bei meiner Ehr'.
>>Gemeinderat verschenkt 50%>>