Im Mai-Landtag beschlossen, dürfte die Agrarnovelle Anfang Juli in Kraft treten. Das Agrarunrecht wurde damit nicht beseitigt und das Gesetz ist zum Kippen hergerichtet.
Gegen vehementen Widerstand der Opposition winkten ÖVP und Grüne die Novelle zum Tiroler Landesflurverfassungsgesetz im Mai-Landtag durch. Noch läuft die Kundmachungsfrist und es wird keine Initiativen geben, die das Inkrafttreten dieser Agrarnovelle Anfang Juli verhindert. Doch: Hinter den Kulissen gärt es nach wie vor. Das novellierte Gesetz regelt nicht die Rückübertragung von Besitz, der von Gemeinden an Agrargemeinschaften übertragen worden ist. Die Opposition (Liste Fritz, SPÖ, FPÖ und vorwärts-Tirol) scharrt in den Löchern. Sie und auch Gemeinden wollen gegen das Gesetz ankämpfen. Das bestätigte Andreas Brugger, Jurist und Mandatar der Liste Fritz, am Donnerstag in Lienz. Brugger tourt seit Wochen durch Tirol.
„Der Andrang zu den Veranstaltungen ist groß und ich stelle fest, dass der Informationsstand in der Agrarcausa recht dürftig ist. Die verbreitete Meinung, das Thema interessiere niemanden, hat mit der Verunsicherung der Leute sehr viel zu tun“, sagt der Agrarexperte Brugger.
Osttiroler als Leidtragende
Osttirol ist ein besonders heikler Boden: 72 Prozent der übertragenen Agrargemeinschaftsflächen sind nicht als Gemeindegut festgestellt worden. Die starke Enteignung von Gemeinden während des Naziregimes (Hallersche Urkunden) und mangelnde Entschlossenheit von Bürgermeistern seien Gründe dafür.
Brugger: „Die Osttiroler, brave ÖVP-Wähler, sind die größten Leidtragenden der Agrarpolitik Tirols.“ Alleine aus dem Überling seien den Gemeinden zwischen 2008 und 2013 rund 150 Millionen Euro entgangen. Das Gesetz selbst schaffe Möglichkeiten, dass sich Agrargemeinschaften zurückholen, was sich Gemeinden bisher mithilfe der Gerichtshöfe erkämpft hätten. „Der Osttiroler ÖVP-Mandatar Hermann Kuenz forderte im Landtag, dass die Konstruktion des atypischen Gemeindegutes wieder wegkommt.“ Stichtage ermöglichten, dass sich die Agrarier alles behalten dürften, das bis 2013 erwirtschaftet worden sei.
„Und um Infrastruktur für Gemeindegutsagrargemeinschaften aufrechtzuerhalten, müssen künftig die Gemeinden zahlen, um einen kleinen Kreis zu begünstigen“, so der Jurist.
MICHAELA RUGGENTHALER
Zuletzt aktualisiert: 12.06.2014 um 20:16 Uhr
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Retourkutsche
Es war nicht wirklich das Thema der Osttiroler Bürgermeister, die Gemeindegutsagrargemeinschaften. Bis auf wenige Ausnahmen wie Andreas Köll in Matrei oder Gerald Hauser in St. Jakob, haben sie die Causa recht lax behandelt. Der Großteil der Bürgermeister kniete sich nicht für das Wohl der Gemeinde hinein. Ihnen war wichtiger, es sich nicht mit den Agrargemeinschaftsmitgliedern, sprich Bauern, zu verscherzen. Eine Rückübertragung von Gemeindegut: Das wollte nicht in die Köpfe vieler Dorfkaiser. Mit halbherzigem Einsatz wurde agiert und Fakten so hingedeichselt, dass die Agrargemeinschaften bleiben, wie sie sind. Manche Bürgermeister haben die Causa überhaupt ignoriert. Dafür bekommen sie nun die Rechnung in Form der Agrarnovelle präsentiert.
Das Gesetz schafft den Agrariern Freiheiten, die dem Wohle der Gemeinden anständig schaden. So haben die Gemeindegutsagargemeinschaften über Stichtage den Zugriff auf sämtliche Finanzen, die eigentlich der Gemeinde und damit allen Bürgern gehören. Und über die gesetzliche Regelung der Aufwandsbeteiligung kommt es ebenfalls dick. Wollen Agrarier dort, wo sie Rechte haben, „goldene Türschnallen“, dann sind sie anzubringen – und das auf Kosten der Gemeinde und zum Nachteil der übrigen Gemeindebewohner. Fazit: Wegen ihrer Ignoranz haben die Bürgermeister jetzt erst recht den Scherm auf.
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Zuletzt aktualisiert: 13.06.2014 um 09:39 Uhr
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