Aktuelles

NS-Regulierungen: Sandgruber, der Gemeindebegriff und wissenschaftliche Sorgfalt

Landeshauptmannstellvertreter Steixner und Landesrat Dr. Tratter haben alle rechtsstaatlichen Entwicklungen und die gesamte Judikatur zum Gemeindegut seit 1847 in Frage gestellt. Der Tiroler Landesregierung ging dabei der Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Roman Sandgruber aus Linz zur Hand.

Seine gutachterlichen Thesen in historischer Reihenfolge sind
  • die Fraktionen und Ortschaften waren zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung durch das kaiserliche Dekret 1847 politisch nicht festgelegte Einheiten
  • die politische Gemeinde hat zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert
  • die Arbeiten der Kommissionen zur Ausführung des kaiserlichen Dekrets waren flächendeckend über Osttirol unrichtig
  • die Grundbuchsanlegungskommissionen haben ebenso flächendeckend über Osttirol unrichtig entschieden.
  • die durch die Deutsche Gemeindeordnung gegebene Rechtsnachfolge der Gemeinden zum Fraktions- oder Ortschaftsgut wird bestritten
  • für die rein politisch motivierte, regional begrenzte Eigentumsübertragung an die Nutzungsberechtigten, vor allem auch gegen bestehendes NS-Recht, reicht eine historische Begründung
Dies sind Oberhofer-Plattform-Agrar-Positionen und sie wurden von Prof. Sandgruber ohne Erwähnung der dazu dutzendfach erflossenen Judikatur übernommen.
Was natürlich bedeutet, dass damit von einem Historiker ohne Berücksichtigung des tatsächlich gesprochenen Rechts
  • die ministeriell eingesetzten Waldzuweisungs-Kommissionen nach 1847 und
  • ebenso die von drei Ministerien eingesetzten Grundbuch-Anlegungs-Kommissionen unter Aufsicht des Oberlandesgerichtes
trotz klarer Instruktionen als völlig unfähig angesehen werden, da sie flächendeckend über Osttirol Fehlentscheidungen getroffen hätten. Im Abstand von 50 bis 60 Jahren.
Und, dass
  • alle Vorfahren aller heutigen Nutzungsberechtigen zu unfähig und zu dumm waren, ihre Eigentumsansprüche, so sie vorhanden gewesen wären, in mehrstufigen Verfahren um 1850 und um 1900 zu vertreten.
Flächendeckend nach Haller heißt:
Mit Ausnahme von zwei Gemeinden, wo ich nicht mehr dazukam, wurden in allen Gemeinden die agrargemeinschaftlichen Grundstücke ins Eigentum von Nachbarschaften überführt die reguliert wurden.“

Insgesamt:
Gesetzgeber, Beamte und Justiz der Monarchie waren unfähig und die betroffenen Bürger zu dumm. Allein Dr. Haller hätte mit seinen Regulierungen recht. Die dutzendfache Judikatur seit etwa 1870 und die NS-Rechtslage sind nicht der Erwähnung wert.
 
Das ist eine Geisterfahrerperspektive des Prof. Sandgruber, weitab von einer wissenschaftlichen Aufarbeitung.

Platter, Steixner und Tratter sind dem geschriebenen und gesprochenen Recht bindend verpflichtet. Das von ihnen beauftragte Elaborat enthält nichts davon. Sie haben es mit politischem Jubel vorgestellt.
Platter, Steixner und Tratter empfehlen es in einem Schreiben den Osttiroler Bürgermeistern.
>>Landesregierung an Bürgermeister>>
Es ist nur eine willkommene Ausrede für alle jene, die die Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes weiter verhindern oder zumindest verzögern wollen. Steixner und van Staa haben Sandgruber beauftragt und er hat geliefert.
 
Anträge auf Wiederaufnahme von abgeschlossenen Verfahren sollen nun bereits in größerer Zahl in Vorbereitung sein.

Tratter hat schon kalte Füße bekommen.
>>TT 13 11 2012 Tratter>>
>>Presseaussendung Bürgerforum 13 11 2012>>
>>Nebelwerfen>>

Sandgrubers wissenschaftliche Sorgfalt:

Gemeindebegriff oder „volles“ Kaffeesudlesen
Seite 8 
In Tirol sollten mit dem kaiserlichen Forstregulierungspatent vom 6.2.1847
einerseits die bestehenden privaten Eigentumsrechte an den Tiroler Wäldern
festgestellt (Forsteigentumspurifikation), andererseits die zahlreichen Nutzungsrechte (Einforstungsrechte) der Untertanen an den im Obereigentum des Landesfürsten stehenden Wäldern abgelöst (Forstservitutenablösung) oder drittens die nicht vorbehaltenen Wälder in Süd- und Osttirol den Nutzungsberechtigten zu ungeteiltem Eigentum zugewiesen werden. Die Überlassung erfolgte aber nicht direkt an die Nutzungsberechtigten, sondern dem Forstregulierungspatent vom 6.2.1847 entsprechend an die Gemeinden.“

Das Wort sollten beschreibt eine reine Vermutung oder „volles“ Kaffeesudlesen.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Gesetzgeber einerseits private Eigentumsrechte an den Tiroler Wäldern feststellt und andrerseits für die Überlassung desungeteilten Eigentums an die
Nutzungsberechtigten einen Umweg über die Gemeinde wählt.
 
In § 6 des Patentes vom 6. Februar 1847 wird festgelegt, dass die Wälder „den bisher zum Holzbezug berechtigten oder mit Gnadenholzbezügen beteilten Gemeinden als solchen in das volle Eigentum zu überlassen“ seien. Zu klären ist einerseits, was die „bisher zum Holzbezug berechtigten oder mit Gnadenholzbezügen beteilten Gemeinden als solche“ meint, andererseits was das „volle Eigentum“ heißt. 
 
Was unter Gemeinde zu verstehen ist, geht aus dem kaiserlichen Patent vom 6. Februar 1847 nicht zweifelsfrei hervor. Ob die Übergabe an eine politische Gemeinde oder eine Realgemeinde erfolgte, wurde im Nachhinein unterschiedlich interpretiert. Die Formulierung von „den bisher zum Holzbezug berechtigten oder mit Gnadenholzbezügen beteilten Gemeinden als solchen“ stellt eine Kontinuität zu existierenden Gemeinden her“.

Seite 9 
Mit der folgenden Formulierung stellt Prof. Sandgruber den k.k. Gesetzgeber und die ausführenden Ministerien als völlig vertrottelt dar: 
 
Erst in späterer Zeit wurde Gemeinde mit politischer Gemeinde gleichgesetzt und die Formulierung „volles Eigentum“ umgedeutet oder nicht mehr verstanden.“

Von den gleichen Beamten die die Gesetzestexte formulierten, sind im gleichen Zeitraum auch die Dienstinstruktionen verfasst worden
, die zweifelsfrei klar, wenn auch nicht einheitlich, ausdrücken, was unter Gemeinde zu verstehen ist.
Seite 10
Gemeindewaldungen, welche den Gemeinden bereits seit der ursprünglichen Anlage des Catasters zugeschrieben sind, und deren Ertrag in den Gemeinderechnungen vorkömmt.

Eine Katastergemeinde mit eigener Buchhaltung ist zweifelsfrei eine politische Gemeinde im Sinne des damals bereits bestehenden Gemeinderechts.
 
Sandgruber schließt daraus

Was dabei unter „Gemeinden“ zu verstehen sei, wird in der Instruktion nicht weiter erläutert. Es ist klar, dass damit Nutzungsgemeinschaften jeglicher Art gemeint sein können.“ 
 
Kataster und Gemeinderechnung sind offensichtlich keine genauere Erläuterung für eine politische Gemeinde im Sinne eines Wirtschaftshistorikers.

Vollends unverständlich wird die in der nachstehenden Fußnote geäusserte Einschätzung nach folgenden Zitaten:   
Seite 11
Dieser Kommission wurde mit hohem Ministerial-Erlass vom 12. Juli 1853 Zl 14747 eine eigene Instruktion erteilt: Instruction zur Durchführung der mit dem Circular des Guberniums für Tirol und Vorarlberg vom 19. April 1847, Zahl 9357-772 Forst, kundgemachten Allerhöchsten Entschließung vom 6. Februar 1847, sowie der weiteren Allerhöchsten Entschließung vom 6. November 1847 für den Kreisregierungs-Bezirk Brixen ernannte k.k. Waldzuweisungs-Commission, Wien 1853“. Diese Instruktion, … unterscheidet sich von den beiden anderen dadurch, … unter § 19 aber explizit festgestellt wurde, dass mit der „politischen Gemeinde“ zu verhandeln sei, was aufgrund des Datums der Instruktion logisch ist.“

Seite 12  
§ 19 der Instruktion zufolge sei „die Verhandlung wegen Waldübergabe daher in der Regel mit jeder dermal bestehenden „politischen Gemeinde“ abgesondert zu pflegen. Gemeinde-Fraktionen, welche im Jahr 1847 selbständige Gemeinden waren, und bei ihrer Vereinigung mit der politischen Gemeinde, zu der sie jetzt gehören, ihre abgesonderte Vermögensverwaltung behielten, können die abgesonderte Verhandlung und Zuweisung von Wäldern in ihr ausschließliches Eigenthum begehren. Sie sind in der Verhandlung und in den Zuweisungsurkunden als „Gemeinde N.N., derzeit als Fraktion zur politischen Gemeinde N.N. gehörig“ zu bezeichnen.“ Die Kommission stellte im Schlussbericht fest, sie habe die Verhandlungen mit Hinblick auf den § 19 der Instruktion größtenteils mit den
dermalen bestehenden politischen Gemeinden gepflogen, und sie sei mit solchen Fraktionen, welche nach dieser Instruktion eine abgesonderte Waldzuweisung begehren konnten, nur in den wenigen Fällen in separate Verhandlung getreten, wo auf diese ungeachtet der Vorstellungen der Kommission ausdrücklich bestanden wurde.“

Die Fußnote xxxiv auf Seite 11 beinhaltet die zu obenstehenden Ausschnitt völlig widersprechende rechtliche Bewertung Prof. Sandgrubers:

Der Befund, den Kohl/Oberhofer, Gemeinschaftsgut und Einzeleigentum, 36, bezüglich der Forstservituten-Ablösungskommission geben, trifft sicher zu: „Für die Tiroler Forstregulierung von 1847 lässt sich schlüssig nachweisen, dass ortschafts- und gemeindeweise die Anzahl der berechtigten Liegenschaften erhoben wurde und dieser geschlossenen Anzahl von Berechtigten (der holzbezugsberechtigten Gemeinde als solcher) Gemeinschaftseigentum übertragen wurde. Damit ist klar, dass die „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ der Tiroler Forstregulierung 1847 eine private war, eine „moralische Person“ gem §§ 26 f ABGB. Die Gemeinde der Tiroler Forstregulierung 1847 war keine öffentlich-rechtliche „Staatseinrichtung“, insbesondere keine Rechtsvorgängerin der politischen Ortsgemeinde. Das gemeinschaftliche Eigentum war die Gegenleistung für eine genau definierte Anzahl an Nutzungsrechten genau bestimmter Güter bzw. Feuerstätten.“ Ob dieser Befund allerdings auch bezüglich der beiden anderen Kommissionen, bezüglich der „Forsteigentumspurifikationskommission“ und vor allem der „Waldzuweisungskommission“ von 1853 gilt, muss genauer analysiert werden.“

Die „politische Gemeinde“ war keine politische Gemeinde, die „dermalen bestehenden politischen Gemeinden“ waren keine bestehenden politischen Gemeinden schließt daraus messerscharf der Historiker Sandgruber.  
Denn was auftragsgemäß nicht sein kann, auch nicht nicht sein darf. 
Eh' klar, bei meiner Ehr'.


Mit den Kohl'schen Befunden konnte sogar der Landesagrarsenat nichts anfangen
 
>>Oberhofers Fiasko>>  
 
Gaimberg:
Seite 17
Den bekanntesten Rechtsstreit führten die Teilwaldbesitzer von Geimberg, Bez. Lienz. Dieser Prozess wurde in allen Instanzen ausgefochten, wobei bei der Erstinstanz die Bauern, in den beiden anderen Instanzen, zuletzt beim Obersten Gerichtshof, die Gemeinde siegte. Als maßgebend wurden das Patent von 1847 und die darauf folgende Waldzuweisung an die Gemeinde erkannt. Das Urteil des OGH stützte sich vor allem auf die Waldzuweisung von 1847 (vg. oben). Es kam aber zu keiner Beruhigung. 1908 wird von einigen hundert Prozessen im Bezirk Lienz berichtet.“
Abgesehen von der Schreibweise der Gemeinde Gaimberg, wurde dieser Prozess von „einem Hofbesitzer“ geführt, nicht von den Teilwaldbesitzern oder Bauern. Das Datum des Urteils, 1. August 1905, wäre in diesem Text auch dienlich gewesen. Dieses OGH- Erkenntnis war natürlich bindend und es scheint daher unwahrscheinlich, dass 1908 noch einige hundert Prozesse im Bezirk Lienz anhängig gewesen sein konnten.
 
Das Zitat stützt sich auf eine Dissertation, die möglicherweise zugehörigen Quellen wurden nicht verifiziert.
Erwähnenswert wäre in diesem Zusammenhang gewesen, dass der Tiroler Bauernbund als Interessenvertretung in seinem Gründungsprogramm 1904 eine Aufforderung an den Landesausschuss richtete:
 
Der Bauerntag fordert, daß der im Volke herrschenden Rechtsanschauung entsprochen wird und daß dort, wo diese für das Eigentum der Besitzer spricht, die Besitzer als Eigentümer der Teilwälder im Grundbuch eingetragen werden. Der Bauerntag fordert den hohen Landesausschuss auf, bei der Vertretung befangener Gemeinden dem nicht entgegenzutreten.“   

Dieser Wunsch der Interessenvertretung entsprach jedoch nicht der herrschenden politischen Meinung:
 
„Es wurde damit aber auch der vom Landesausschusse in der Teilwälderfrage einhellig vertretene Standpunkt als der allein richtige anerkannt und das Urteil des k.k. Kreisgerichtes Bozen als zutreffend und der Sachlage vollständig entsprechend bestätigt.“ 

Soviel zu den Sandgruber'schen Erklärungen des Gemeindebegriffs.

Festzuhalten ist, dass diese Thematik bei der Pressekonferenz von Dr. Brugger, Georg Willi und Ulrich Stern in keiner Weise angesprochen wurde. Die Auslassungen Prof. Sandgrubers sind offensichtlich von der Tiroler Landesregierung beauftragt worden.
 
 
Die Zahl der Gemeinden   
Seite 14  
Im heutigen Osttirol wurden 1853/54folgenden Gemeinden Wälder zugewiesen: Marktgemeinde Windisch-Matrei, Landgemeinde Windisch-Matrei, Virgen mit Prägraten, Hopfgarten, St. Veit, St. Jakob, Kals, St. Johann im Walde, Schlaiten, Glanz, Gwabl, Alkus, Ainet, Oberdrum, Thurn, Oberlienz, Bannberg, Patriasdorf, Ober- und Untergaimberg, Unternußdorf, Obernußdorf, Dölsach, Göriach und Stribach, Iselsberg mit Stronach, Görtschach mit Gödnach, Nikolsdorf, Lengberg, Nörsach, Lavant, Tristach, Amlach, Leisach, Burgfrieden, Klausenberg (Fraktion der Gemeinde Assling !), Lienz, Abfaltersbach, Strassen, Tessenberg, Panzendorf, Kartitsch, Innervillgraten, Außervillgraten, Sillian, Sillianberg, Arnbach.“
 
Seite 17  
200 Gemeinden im Bezirk Lienz?:  
Daher beschloss der Tiroler Landtag mit 30. Juni 1910, LGBl Nr. 65 die Novellierung des § 61 der Go 1866 und eine Erleichterung hinsichtlich der Teilung von Gemeindewäldern, nachdem die Abgeordneten des Bezirkes Lienz eine Massenpetition von rd. 6000 Bauern aus 200 Gemeinden zur Bereinigung der Teilwälderfrage eingebracht hatten.“
oder
Die Vorsteher von 22 Gemeinden des Bezirkes Lienz verweigerten vorerst die Mitwirkung bei der Grundbuchsanlegung. Die Angelegenheit wurde zwischen 1900 und 1910 immer wieder im Landtag behandelt.“   

Seite 24
 Die Gemeindezusammenlegungen - die Zahl der Osttiroler Gemeinden wurde von 50 auf 25 halbiert -, die Fraktionsaufhebungen und Vermögenseinverleibungen, die praktisch völlig über die Köpfe der Bevölkerung hinweg geschahen, erweckten viel böses Blut.“
dazu das
>>NS-Verordnungsblatt>>

Was ist richtig? Waren mit den 200 Gemeinden vielleicht Fraktionen gemeint?
 

Jedenfalls sind diese Zahlen inkonsistent.
 
Widerstandspotential in den genannten Gemeinden
Die Widerstände waren sehr unterschiedlich gelagert. Konnte in Dölsach/Iselsberg-Stronach am 21.10.1941 durch Haller keine Entscheidung zur Regulierung herbeigeführt werden, so wurden Dölsach/Iselsberg-Stronach nur acht Jahre später durch die Agrarbehörde unter Eduard Wallnöfer reguliert. Die Widerstände von ÖVP-Gemeinderäten sind dokumentiert. Sie wurden von der Behörde unter Strafandrohung abgewürgt. 
Man bemerke: Im NS-Regime hat der Behördenleiter eine Entscheidung an die Schiedsinstanz Reichsstatthalter abgegeben, im demokratischen Tirol wurde von der Behörde unter Strafandrohung „drübergfahrn“.
>>Iselsberg-Stronach>>
Klare Befangenheiten im Gemeinderat wurden nicht beachtet. Wie auch heute nicht.
 
Im Gegensatz zum NS-Regime, wo erstaunlicherweise die Befangenheit eines Bürgermeisters und  Agrargemeinschaftsfunktionärs beanstandet wurde.
>>Befangenheit Assling>>
 
Die ehemals salzburgischen Gebiete Osttirol

Salzburg, 1803 säkularisiert, wurde im gleichen Jahr Kurfürstentum als habsburgische Sekundogenitur. Als Ersatz für das Großherzogtum Toskana, das an Napoleon fiel. Ab 1850 war Salzburg Kronland. „Große Unzufriedenheit“ im Gerichtsbezirk Matrei mit diesem Herrschaftswechsel zu begründen, entbehrt jeder Grundlage.
   
 
Die Einführung der Deutschen Gemeindeordnung 
Sandgruber führt gegen Ende auf Seite 33 aus:
Man kann der Argumentation der Schiedsinstanz für Naturalrestitution durchaus folgen, dass anders als bei sonstigen diskriminierenden Gesetzen und Verwaltungsmaßnahmen des NS-Staates, so insbesondere gegen die als „jüdisch“ klassifizierten BürgerInnen, Inhalt und Systematik der DGO keine Diskriminierung i.S. einer rechtspolitisch angestrebten Benachteiligung bestimmter Personenkreise erkennen lassen.
Im Klartext heißt das, die Einführung der DGO war fair. Was ja durch die Übernahme in den Rechtsbestand der 2. Republik und in die TGO 1949 ausdrücklich bestätigt wird.
Das hindert Sandgruber nicht auf Seite 32 völlig gegensätzlich von 
Die Deutsche Gemeindeordnung als Unrechtssystem“ 
zu fabulieren.

Die Bauern erlitten durch die Einführung keinen Schaden, Seite 23:
 
Laut Artikel II, § 1 der Einführungsverordnung zur D.G.O. wurden Ortschaften,Fraktionen und ähnliche innerhalb einer Gemeinde bestehende Verbände, Körperschaften und Einrichtungen gemeinderechtlicher Art aufgelöst. Ihr Rechtsnachfolger wurde die Gemeinde. Das Fraktionsgut ging in der Gesamtgemeinde auf. Auch wenn den ehemaligen Fraktionisten ihre auf den Haus und Gutsbedarf beschränkten Bezugsrechte erhalten blieben, so gingen die Ertragsüberschüsse des Fraktionsguts nunmehr nicht mehr in die Fraktions- sondern in die Gemeindekasse.“

Die DGO wurde klarerweise österreichweit eingeführt.
In Nordtirol, bei ähnlicher Gemeinde- und Fraktionenstruktur wie in Osttirol, sind bisher keine Widerstände gegen die Auflösung der Fraktionen bekannt geworden.
Im Gegenteil, sagt doch der Bauernbund:

„ …, brauchten sich die Bauern im allgemeinen über das neue Regime nicht zu beklagen. Die bauernfreundliche Gesetzgebung des Deutschen Reiches wurde auch auf Tirol ausgedehnt, ...“
(Quelle: 75 Jahre Tiroler Bauernbund, Festschrift, Seite 98). Man sollte eigentlich annehmen, dass Osttirol in diese Betrachtung einbezogen war.

Hallers Aussage in seinen Memoiren:
Es kam zu massiven Protesten der Bauern, die letztlich eine Reaktion der Gauleitung in Klagenfurt zur Folge hatten.“
 
verschweigt natürlich, dass den als Protest ausgelegten Anträgen zur Regulierung sein eigenes Aufforderungsschreiben voranging.
 
Es ist Unfug anzudeuten, dass die geringe Organisationsdichte der NSDAP in Osttirol etwas mit der Auflösung der Fraktionen durch die DGO zu tun hätte:
 
Die Partei kontrollierte alles. Dieser Zugriff wäre auf autonome Fraktionen, Agrargemeinschaften oder Vereine nicht in dieser Art möglich gewesen, zumal die Organisationsdichte der NSDAP in Osttirol sehr niedrig war. Daher wollte man möglichst viel den leichter beherrschbaren Gemeinden zuordnen. Die Fraktionen, Kommunen und sonstigen Korporationen wurden daher aufgelöst.“

Regulierungen waren rechtswidrig aber politisch erwünscht
Sandgruber führt aus:
  • 10.11.38, Oberassling, „Einwände wurden von der Landeshauptmannschaft abgewiesen.“
  • 22.11.38, Heimfels, Antrag des Ortsbauernführers auf Verteilung der Grundstücke gemäß Fraktionsbeschluss vom 14. August 1938, auf die Nutzungsberechtigten wird von der Bezirkshauptmannschaft abgelehnt. (Hier Quelle: TLA)
  • Als die Verfahren der Agrarbezirksbehörde bei der Fraktion Ried wieder aufgenommen wurden, führte es zu keinem Ergebnis, weil die Gemeindeaufsichtsbehörde inzwischen ihre Ansicht dahin geändert hatte, dass die Obere Gemeindeaufsichtsbehörde nicht nur zu entscheiden habe, ob ein Verband gemeinderechtlicher Art gewesen sei, sondern auch ob agrargemeinschaftliche Grundstücke Teil eines solchen Verbands und damit Fraktionsgut waren.“
  • Denunziation durch einen Angehörigen der Reichsforstverwaltung beim Reichsforstmeister schritt dieser beim Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft ein, der in einem scharfen Erlass den Reichsstatthalter in Klagenfurt anwies, diese gegen nat.soz. Gesetze gerichteten Umtriebe abzustellen.“
Hallers Geschick war es nun, diesen Streit von der rein rechtlichen, behördlichen Ebene auf die politische Ebene zu heben.

Die zuständigen Behörden und die politischen Kader besprachen eine politische Lösung:

Überführung
„In der hierüber aufgenommenen Niederschrift vom 7. Juni 1939 wurde von allen Teilnehmern zum Ausdruck gebracht, dass die Überführung aller ehemaligen Fraktions- und Gemeindegüter in das Eigentum von körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaften (Nachbarschaften) durch die Agrarbehörde die beste und zweckmäßigste Lösung sei, durch die eine Beruhigung innerhalb der bäuerlichen Bevölkerung eintreten und die Durchführung von Eingemeindungen wesentlich erleichtert werden würde. Das hierauf eingeleitete Verfahren der Agrarbezirksbehörde wurde durch den Kriegsausbruch unterbrochen. Haller machte den Polen- und Frankreichfeldzug mit. Erst im März 1941 wurde Dr. Haller u.k. gestellt.“

Überprüfung
„Bei einer am 18. Sept. 1941 unter Vorsitz des Herrn Regierungspräsidenten stattgefundenen Besprechung, an der Vertreter der Oberen Gemeindeaufsichtsbehörde, Oberen Umlegungsbehörde und der Agrarbezirksbehörde teilnahmen, wurde die sofortige Überprüfung der Eigentumsrechte an den in Frage kommenden agrarwirtschaftlichen Grundstücken in allen Gemeinden des Landkreises Lienz durch eine aus Vertretern der
Gemeindeaufsichts-, Agrar- und Forstbehörden, sowie der Kreisbauernschaft Lienz zusammensetzte Kommission für zweckmäßig erkannt. Diese Kommission sollte möglichst einvernehmlich alle schwebenden Fragen bereinigen. In jenen Fällen, wo ein Einvernehmen nicht erzielt werden konnte, erklärte sich Herr Regierungspräsident als stellvertretender Reichsstatthalter berei
t, einen Schiedsspruch zu fällen.“

Das war nur mit Zustimmung der Ministerien in Berlin möglich. Die nur ausnahmsweise vorgenommene politische Lösung wurde von den Mächtigen des NS-Regimes gedeckt.
Seite 30
„ … Er möchte den Bericht an den Reichsinnenminister auf eine kurze Darstellung der getroffenen Maßnahmen beschränken „und würde es sich empfehlen von einer langen Abhandlung über die dadurch beseitigten Zustände, die dem Chef der Sicherheitspolizei Anlass zum Einschreiten geben, abzusehen.“

„Der Schlussbericht an den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft vom 13. Okt. 1942: … Insgesamt wurden in den 25 Gemeinden des Landkreises Lienz 23686,64 ha agrargemeinschaftliche Grundstücke, die grundbücherlich als Eigentum von Fraktionen, Ortschaften oder von Gemeinden als Gemeindegliedervermögen eingetragen waren, in das Eigentum von 109 Agrargemeinschaften übertragen. … Bei nahezu allen diesen Agrargemeinschaften wurde das Regelungsverfahren eingeleitet, …“
>>Schlussbericht>>
>>Schlussbericht Vorinformation Haller>>
(Quelle hier KLA)

Haller spricht von Gemeinden und deren Gemeindegliedervermögen und meint damit die sogenannte Treuhandtheorie, die vom VwGH 1954 und vom VfGH 1982 klar verworfen wurde.
Der VfGH sagt, dass auch das Gemeindegut wahres, materielles Eigentum der Gemeinden ist. Haller huldigt jedoch der Treuhandtheorie, wonach die Gemeinden fremdes Gut, nämlich jenes der Bauern in den Fraktionen und Gemeinden zu verwalten gehabt hätten.

Es gab jedoch keine rechtliche Entscheidung zu dieser Frage, sondern eine politische Lösung.
Nach einem Gesetz haben damals Haller und das totalitäre NS-Regime nicht gefragt.

Sandgrubers Betrachtungen, ob Dr. Haller oder der eine oder andere örtliche Vertreter des NS-Regimes mehr oder weniger belastete Nazis waren, sind völlig irrelevant.
Denn ohne die ausdrückliche Genehmigung durch die NS-Ministerien, die sich natürlich ebenfalls abstimmen mussten, wären die Haller'schen Regulierungen mit den zugehörigen Haller'schen Urkunden nicht möglich gewesen.
Er hat dies, wie er ausführt, im Detail
auch nicht untersucht:

" Allerdings müssten dazu Fallstudien in einzelnen Gemeinden mit entsprechender Durchsicht von Gemeindeakten, Mitgliedskarteien der NSDAP und Entnazifizierungsakten gemacht werden."

„Die Bauern“ haben das Gemeindegut nicht genommen. Obwohl Ortsbauernführer sofort im Jahr 1938 stramm „Heil Hitler“ gerufen und
auf Aufforderung Hallers Anträge gestellt haben. Die höchsten Stellen in Berlin haben aus politischen Erwägungen die Initiative Hallers,  gegen das geltende Recht das Gemeindegut den Agrargemeinschaften zu übertragen, genehmigt. Der politische Wille war entscheidend.

Die fast flächendeckend durchgeführte ersatzlose Enteignung der Gemeinden in Osttirol während des NS-Regimes fand eine nahtlose Fortsetzung im demokratischen Tirol nach 1945.
Mit der gleichen Methodik, mit den gleichen Begründungen.
Dr. Haller und Dr. Mair sprechen im Gleichklang von der falschen Auslegung des Waldzuweisungspatentes 1847. Prof. Sandgruber plappert diesen Käse nach. Die über 140-jährige Judikatur dazu wird von allen verschwiegen.
Der politische Wille war von Eduard Wallnöfer und dem Schwarzmander-Bauernbund getragen.
Obwohl die Fortsetzung ein Kernvorwurf der Opposition an die Tiroler Landesregierung war, wurde dies von Prof. Sandgruber nicht untersucht.
>>10 Jahresbericht Agrarbehörde 1949 - 1958>>

Siehe dazu:
>>NS-Regulierungen>>
>>Nebelwerfen>>
>>NS-Praxis als Präzedenzfall>>
>>Assling-Bannberg>>
>>Opposition geißelt Gutachten>>