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Vortäuschung der Rechtmäßigkeit
Die Vortäuschung der Rechtmäßigkeit der rechts- und verfassungswidrigen Eigentumsübertragungen und die ständige Desavouierung des Grundbuchs sind eng verbundene Bestandteile der Informationsstrategie der Tiroler Landesagrarverwaltung. Dazu gehörten die Erfindung und Anwendung neuer, scheinbar gesetzlicher, Regeln für die Feststellung des Eigentums an Grund und Boden.
Das Grundbuch – ein öffentliches, amtliches Verzeichnis
Das Grundbuch ist das zentrale Verzeichnis der Justiz, wenn man so will das Hauptverzeichnis, über Grund und Boden, über alle Liegenschaften und aller damit verbundenen Rechte, im Staat. Seine Einführung wurde mit dem aGG von 1871 beschlossen. Aufbau und Führung wurden über die Grenzen hinaus als vorbildlich angesehen. Seine Aufzeichnungen sind für alle Behörden und Institutionen der Republik verbindlicher Rechtsbestand.
Illustration Sebastian Brant’s Narrenschiff.
Verpflichtende Gesetzeskonformität
Behörden sind verpflichtet, ihre Tätigkeit ausschließlich auf der Grundlage von Gesetzen auszuüben. Die Agrarbehörde maßt sich jedoch seit 1946 an, ohne Rücksicht auf diese verfassungsrechtliche Grundnorm, eigenes Recht formulieren zu dürfen. Die behaupteten „Regeln“ liegen in keinem Gesetzes- oder Verordnungstext schriftlich vor, die Anmaßung wurde nur in den einzelnen Verfahren sichtbar. Sie wurde von den Berufungsinstanzen nicht korrigiert.
Dr. Heinrich Kienberger weist in seiner Studie „Das Gemeindegut als Verfassungsproblem“, Lexis Nexis, Kapitel IV, Seite 29, mit FN 75, klar auf das grundrechtswidrige Verhalten der Agrarbehörde hin, „… hat die Agrarbehörde- darauf läuft ihre Vorgangsweise im Ergebnis hinaus – generell die Unrichtigkeit der Grundbuchseintragungen unterstellt …“.
Die Agrarbehörde ist befugt, auf der Grundlage der bestehenden Gesetze in einzelnen Verfahren Eigentumsrechte und Nutzungsrechte festzustellen. Nur dies, sonst nichts. Das Recht auf Eigentumsübertragung ist nicht vorgesehen. Sie muss selbst erkennen, dass im TFLG für objektive Feststellungen keinerlei geeignete Normen vorgesehen sind.
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Die Behauptung, dass bei der Gedingstatt Zams eine unregulierte Agrargemeinschaft vorläge, ist eine ungesetzliche Vermutung. Dafür gibt es im TFLG keinerlei gesetzliche Regeln, die detaillierten Intabulationsnormen der Grundbuch-Anlegungsgesetze schließen jede Vermutung aus.
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Das gleiche gilt für die lit. b Feststellung zur Gemeindefraktion Katastralgemeinde Zamserberg. Bereits der LAS als Berufungsinstanz hätte auf Grund der fehlenden gesetzliche Regeln die Behördenentscheidung richtigstellen müssen.
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Der LAS hat selbst bei der Marienbergalpe, mit Fraktion = Gesamtheit der auftriebsberechtigten Höfe, die Variante einer neuen Regel erfunden.
Aus den unterschiedlichen Feststellungen in den Bescheiden der Behörde und des LAS ist zu schließen, dass das TFLG als materielle Grundlage für die Entscheidung von Eigentumsfragen an Liegenschaften nicht geeignet ist.
Der VwGH beanstandete die vorangegangenen Entscheidungen nicht. Im Gegenteil, er hält mit der Meinung, „unter einer Fraktion könnte auch eine Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten verstanden werden“, Interpretationen und Vermutungen als Grundlage der Behördentätigkeit für möglich.
Er stützt damit die von der Agrarbehörde erfundene Regel, dass für die Erhebung und Zuordnung des Eigentumsrechtes durch die Anlegungskommissionen die Bezeichnungen eines Grundbuchkörpers entscheidend gewesen wären. Dies wird durch die Anlegungsgesetze, der einzigen gesetzlichen Grundlage, klar widerlegt. Es gibt keinerlei Begriffsdefinitionen. Eigentumsgemeinschaften müssen nach den Normen des Miteigentums beschrieben und einverleibt werden. Siehe nächstes Kapitel.
Datenquelle Grundbuch
Die gemeinschaftliche Nutzung von Grund und Boden, seit alters her geübt, wurde in zwei grundsätzlichen Rechtsformen abgebildet: Die Nutzung von Gemeindeeigentum[1] einerseits bzw. von gemeinschaftlichem Privateigentum[2] andrerseits. Dies entspricht der Systematik des VwGH[3], der gemeinschaftlich genutzte Grundbuchskörper in „Das einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten eigentümliche gemeinsame Gut“ und die Alternative „Gemeindegut“ gliedert. Beide Rechtsformen wurden in den Anlegungsgesetze durch die zugehörigen Normen für die Einverleibung des Eigentumsrechtes bzw. Nutzungsrechtes hinreichend und unverwechselbar beschrieben.
Die einzige rechts- und verfassungskonforme Quelle für Daten zu Grund und Boden und der damit verbundenen Rechte ist das Grundbuch mit den Normen der Anlegungsgesetze für die Einverleibung. Sie wird und wurde von der Agrarbehörde und dem LAS nicht benutzt. Der VwGH unterstellt dem Begriff „Fraktion“ eigentumszuweisende Bedeutung, obwohl Begriffsnormen nicht existieren.
GALG § 34 (1): „Zwischen den Nutzungsrechten am Gemeindegute und den Eigenthumsrechten ist sorgfältig zu unterscheiden.“
Miteigentum, also „Das einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten eigentümliche gemeinsame Gut“, ist detailliert geregelt: GALG § 9 (3): „Bei Liegenschaften, deren Miteigenthumsanteile als Realrechte zu geschlossenen Höfen gehören, erfolgt die Eintragung des Eigenthums zu Gunsten der jeweiligen, namentlich nicht zu bezeichnenden Eigenthümer der betreffenden Höfe.“ bzw. § 24 (2) „Als Bestandtheile des geschlossenen Hofes sind ferner … insbesondere Weide-, Holzungs- und Wasserrechte an Gemeindegrundstücken oder an anderen fremden oder gemeinschaftlichen Grundstücken anzusehen.“
Woraus hervorgeht, dass nur bei Miteigentum nach § 34 (4) und (6) – gemeinschaftlichen Grundstücken – und Nutzungsrechten des geschlossenen Hofes vom „einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten eigentümliche gemeinsame Gut“ die Rede sein kann. Miteigentum und Nutzungsrechte eines geschlossenen Hofes konnten nach Anhörung der Betroffenen nur durch die mit bäuerlichen Interessensvertretern verstärkten Anlegungskommission beschlossen werden.
Fehlt das einverleibte Miteigentum nach § 34 (4) und (6), dann liegt Gemeindeeigentum vor und der Grundbuchskörper ist gemäß den Dienstbarkeiten beim geschlossenen Hof als Gemeindegut anzusehen.
Die Eigenschaft „agrargemeinschaftlich“ im TFLG sagt über das Eigentum an einem Grundbuchskörper an sich nichts aus und die Variationen zur Bezeichnung „Gemeindegut“ reduzieren sich auf die Feststellung des VwGH, dass darunter immer das Gemeindegut nach der Gemeindeordnung zu verstehen ist.
Zäsur
Die Auflösung der Gemeindeteile durch die NS-Gemeindeordnung im Jahre 1938 war eine gemeinderechtliche Zäsur, die zur Begründung einer agrarpolitischen Weichenstellung, zur Übertragung des Fraktionsgutes an die Nutzungsberechtigten, vorgeschoben wurde. Erfolgte dies im Musterbezirk Lienz noch mit autoritärem Durchgriff, so wurde nach 1945 von den agrarpopulistischen Landespolitikern in Tirol eine subtilere Vorgangsweise gewählt.
Statt Richtigstellung durch Justiz erfolgt Eigentumsfeststellung durch Behörde
Die Rechtsnachfolge der Gemeindeteile (Fraktionen) war mit den bestehenden politischen Gemeinden gesetzlich festgelegt, wurde jedoch in Tirol in den Grundbüchern nicht nachvollzogen. Die politische Absicht ist erkennbar: Nicht die Justiz, das Grundbuchsgericht, sollte die notwendigen Richtigstellungen durchführen, nein, die Agrarbehörde sollte die Sachverhalte neu feststellen. Dazu wurde nicht der Weg über den Landesgesetzgeber gewählt, sondern nach Muster Osttirol sollte die Agrarbehörde mit dem Bodenreformgesetz TFLG als Werkzeug aktiv werden.
Die in Folge der Auflösung der Gemeindeteile in den Grundbüchern notwendige Namensänderungen durch die Justiz wurde in eine, von den Nutzungsberechtigten politisch begehrte, Eigentumsfeststellung durch die Agrarbehörde nach TFLG umfunktioniert. Was unmittelbar durch entsprechende Anträge mit Listen der Antragssteller gemäß den einverleibten Nutzungsrechten geschah. >>Zamserberg Instruktion, >> Obermieming Antrag
Die Richtigstellung von Namen im Grundbuch ist eine ausschließlich justizinterne Angelegenheit. Es muss daher leider vermutet werden, dass eine Akkordierung zwischen Landespolitik und Justiz stattgefunden hat, denn auch 80 Jahre nach Inkrafttreten der Überleitungsgesetze sind die Namensänderungen nicht vollständig durchgeführt. Die Mehrzahl der Namensänderungen wurde dann in Folge der rechts- und verfassungswidrigen Eigentumsübertragungen an eigens gegründete Agrargemeinschaften durchgeführt. Der Name einer Gemeinde stand in diesen Fällen nie im Grundbuch. Das Eigentum der Gemeinde war jedoch gemeinderechtlich gegeben.
So erhält heute noch die Agrarabteilung des Landes die Möglichkeit, die Auskunft zu erteilen, dass „vormals keine Gemeindeeigentum“ bestanden hätte. Oder es kann die Agrarbehörde rechtswidrig behaupten, dass eine einverleibte Fraktion als eine unregulierte Agrargemeinschaft anzusehen sei.
Die vorsätzliche Abwertung des Grundbuchs
Die einzige rechts- und verfassungskonforme Quelle für Daten zu Grund und Boden und der damit verbundenen Rechte ist das Grundbuch mit den Normen der Anlegungsgesetze für die Einverleibung.
Die Tiroler Landesregierung versucht seit 1948, als Begleitmaßnahme zur rechts- und verfassungswidrigen Eigentumsentziehung, dieses Alleinstellungsmerkmal auf allem Ebenen und mit allen Mitteln zu untergraben. Dies sei mit einer amtlichen Stellungnahme und einem bestellten Gutachten belegt:
Die Stellungnahme der Tiroler Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren VfGH 1982:
„Bei der Grundbuchsanlegung wurde einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen. Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete.“
Der VfGH hat diese Stellungnahme zur Gänze verworfen. Die Behauptung des Gutdünken[4] eines „Grundbuchsbeamten“ geht völlig ins Leere. Damit wird die Verwechselbarkeit und Unzuverlässigkeit der Grundbuchseintragungen unterstellt. Diese Behauptung ist, abgesehen von allen politischen Motiven, vor allem juristischer Unsinn.
Nicht Grundbuchsbeamte, sondern ausschließlich Anlegungskommissionen der Justiz unter der Leitung eines Richters, bei Aufsicht des OLG, entschieden über die einzuverleibenden Rechte. Bei bäuerlichem Eigentum bzw. Miteigentum musste nach GALG § 15 (6) ein Vertreter der Bezirksgenossenschaft der Landwirte beigezogen werden.
Die Verwendung von Bezeichnungen, „Ausdruck“, oder Begriff sind durch aGG 1871, Vollzugsvorschrift § 9 detailliert festgelegt. Es sind die gesetzlichen Bezeichnungen entsprechend dem bei Gericht verwendeten Wortlaut vorgeschrieben. Gesetzlich vorgegebene Bezeichnungen können nicht nach Gutdünken verwendet werden. Daher ist ein „Ausdruck“ für die Einverleibung des kommissionell beschlossenen Eigentumsrechtes ohne jede Bedeutung.
Gemeinde-/Fraktionseigentum ist durch die Verwendung der gesetzlichen Bezeichnungen eindeutig und ohne jeden Auslegungsspielraum beschrieben.
Privates Gemeinschaftseigentum war ausschließlich nach GALG § 9 und Vollzugsvorschrift § 34 (4) und (6) zu intabulieren.
Die Tiroler Landesregierung bestreitet damit die Rechtmäßigkeit des Grundbuches und die Existenz und die Anwendung der gesetzlichen Einverleibungsnormen. Nicht nur das, damit wird auch behauptet, dass die gesetzlich geregelten Erhebungen der alten Rechte aus allen verfügbaren Unterlagen und Dokumenten durch die Anlegungskommissionen der Justiz in der Mehrzahl[5] verfehlt gewesen seien. Eine Bezugnahme oder Erwähnung der Grundbuchanlegungsgesetze wird durchwegs vermieden. Obiger Befund ist durch die verbücherten Dokumente eindeutig und nachvollziehbar widerlegt.
Gutachten von Prof. Dr. Roman Sandgruber im Auftrag der Tiroler Landesregierung:
Im Zuge der Diskussion über die Gemeindegutsenteignungen im Bezirk Lienz in der NS-Zeit wurde 2012 Prof. Dr. Roman Sandgruber, übrigens vom Landtagspräsidenten ausgewählt, beauftragt, ein Gutachten über diese agrarischen Operationen dieser Zeit zu erstellen. Ein Punkt betraf die Grundbuchsanlegung:
„ … Einen dritten Punkt bildet die Frage nach Art und Richtigkeit der Verbücherung von Gemeinschaftseigentum im Rahmen der Anlegung des Tiroler Grundbuchs im ausgehenden 19. Jahrhundert. …“
Als Grundlage für die Beurteilung von „Art und Richtigkeit“ wählte er nicht die Grundbuchanlegungsgesetze, sondern die oben dargelegte Stellungnahme des Landes Tirol an den VfGH und die Ausführungen von Kohl im Buch „Die Agrargemeinschaften in Tirol“ von Kohl, Oberhofer , Pernthaler. Er hat die dortigen Ausführungen unreflektiert wiederholt und verstärkt.
„Kohl, S. 221 zeigt anschaulich, wie inkonsequent der Begriff „Fraktion“ auch in sehr eng benachbarten Gemeinden, Windisch-Matrei, Prägraten, Sillian, Sillianberg und Arnbach, ebenso Kartitsch und Obertilliach angewendet wurde. In der einen Gemeinde, Prägraten, findet man sieben Genossenschaften, fünf Fraktionen, eine Nachbarschaft, keine einzige Interessentschaft, in Sillian, Sillianberg und Arnbach hingegen keine einzige Genossenschaft, nur eine Fraktion, zwei Nachbarschaften, jedoch vier Interessentschaften, in Kartitsch neun Nachbarschaften, aber keine einzige Fraktion, Interessentschaft oder Genossenschaft, in Obertilliach drei Fraktionen und zwei Interessentschaften. Wie willkürlich die Bezeichnungen sind, zeigt sich bei einer Gemeinschaft, die in zwei verschiedenen Gemeinden als Eigentümerin begegnet: in der KG Kartitisch erscheint Leiten als „Nachbarschaft Leiten, agrarische Gemeinschaft der Gemeinde Obertilliach“, in der KG Obertilliach als „Fraktion Leiten der Gemeinde Obertilliach“. FN lxxii. In jeder der vier benachbarten Ortsgemeinden Kartitsch, Anras, Obertilliach und Untertilliach wurde eine andere Begrifflichkeit zur Anschreibung von Gemeinschaftseigentum verwendet. FN lxxiii. Der Befund, den die Tiroler Landesregierung 1982 hinsichtlich der Grundbuchsanlegung vorlegte, dass es wohl allein im Gutdünken der Grundbuchsbeamten lag, wurde von Kohl eindrucksvoll empirisch bestätigt. Und diese Unsicherheit war kein Tiroler Spezifikum, sondern wurde in der zeitgenössischen juristischen Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts allgemein festgestellt. Kohl folgert: „In der Regel bedeutet ‚Fraktion‘ als Bezeichnung eines Eigentumsträgers nichts anderes als einen (der Erfassung von Gemeinschaftsliegenschaften dienenden) alternativen Begriff zu ‚Interessentschaft‘, ‚Nachbarschaft‘, ‚Katastralgemeinde‘ oder ‚Genossenschaft‘. Es handelt sich dabei also nicht um eine ‚gemeinderechtliche Einrichtung‘ im Sinne der Deutschen Gemeindeordnung 1935.“ FN lxxiv.“
„Begrifflichkeit“ ist für die „Anschreibung von Gemeinschaftseigentum“ ohne jede Bedeutung. Namen von Gemeindeteilen sind mit Zusatzbezeichnungen wie Fraktion, Nachbarschaft, Ortschaft, Weiler, Katastralgemeinde, Kuratiegemeinde u.v.a.m. versehen. Es sind dies die „alten Bezeichnungen“, die zwingend aus den erhobenen Unterlagen, z.B. Kataster und Verfachbücher, „nach gerichtlichem Wortlaut“ übernommenen werden mussten.
Es muss mit Nachdruck wiederholt werden:
Gemeinschaftseigentum war ausschließlich nach GALG § 9 und Vollzugsvorschrift § 34 (4) und (6) zu intabulieren.
Gemeinde-/Fraktionseigentum ist durch die Verwendung der gesetzlichen Bezeichnungen eindeutig und ohne jeden Auslegungsspielraum beschrieben.
Man mag Sandgruber‘s Vermutungen noch hinnehmen, er sagt selbst, dass er kein Jurist sei. Jedoch Kohl ist Rechtshistoriker. Sein …
„In der Regel bedeutet ‚Fraktion‘ als Bezeichnung eines Eigentumsträgers nichts anderes als einen (der Erfassung von Gemeinschaftsliegenschaften dienenden) alternativen Begriff zu ‚Interessentschaft‘, ‚Nachbarschaft‘, ‚Katastralgemeinde‘ oder ‚Genossenschaft‘.“
… unterstellt, dass die Grundbuchsanlegung ohne Vorgabe von Regeln und Normen, also gesetzlos, erfolgt sei. Sandgruber verstärkt diesen Unsinn. Die beiden Wissenschaftler wollen die Anlegungsgesetze offenkundig nicht kennen und nicht zitieren. Wissenschaftliche Objektivität sieht anders aus.
Die einzige rechts- und verfassungskonforme Quelle für Daten zu Grund und Boden und der damit verbundenen Rechte ist das Grundbuch mit den Normen der Anlegungsgesetze für die Einverleibung.
Die Tiroler Landesregierung versucht, dieses Alleinstellungsmerkmal auf allem Ebenen, hier mit einem „wissenschaftlichen“ Gutachten, zu untergraben. Dies sind nur zwei besondere Fälle in einer Fülle einzelner Aktionen wie den Vorträgen der Agrarbehördenleiter, dem Buch Agrarrecht II von Lang, den öffentlichen Aussagen einzelner Politiker etc.etc.
Erfindung einer vermeintlichen Rechtsfrage
Der rechtshistorisch widerlegte Grundgedanke „Die Fraktionen waren immer schon Eigentum der Nutzungsberechtigten“, ein ausschließlich politischer Anspruch, wurde zur rechtlichen These erhoben[6].
Die Agrarbehörde wurde durch die landesweit organisierten Anträge und Instruktionsgespräche politisch legitimiert, die seit 1847 mehrfach beantwortete Frage „Liegt beim Eigentum von Gemeindeteilen Gemeindeeigentum oder bäuerliches Gemeinschaftseigentum vor?“ neu zu entscheiden.
Dies generell und ohne geeignete Rechtsgrundlagen, denn im TFLG bzw. den Vorläufergesetzen gab und gibt es keine nach „speziellen Begriffen“ geordnete Kriterien für die Bezeichnung[7] von Eigentümern zur Bestimmung des Eigentumsrechtes. Das Grundbuch wurde ausgeblendet, gerade so, als ob es die Grundbuchanlegungsverfahren und die Eigentumsentscheidungen der Justiz – fragliche Fälle wurden durch das OLG entschieden – nicht gegeben hätte.
Das ist durch die Befugnis im TFLG, auf der Grundlage der bestehenden Gesetze in einzelnen Verfahren Eigentumsrechte festzustellen, nicht gedeckt. Feststellungen sind ausschließlich beschreibend und nicht rechtsgestaltend zu verstehen. Als Eigentumszuweisung, d. h. eine agrarbehördliche Übertragung des Eigentums, kann dies nicht verstanden werden. Dies eröffnet jeder Willkür Tür und Tor.
Die Erfindung neuer Regeln
Die Erfindung gemäß der obigen These ist nun, dass im Grundbuch unter der Bezeichnung eines Gemeindeteiles (Fraktion) eine Gruppe (Gesamtheit) von Nutzungsberechtigten als Eigentümer zu verstehen sei. Die Intabulationsnormen der Anlegungsgesetze und die tatsächlich vorgenommenen Einverleibungen im Grundbuch widerlegen diesen Denkansatz vollständig.
Das Eigentum[8] von Gemeinde/Gemeindeteil ist mit der gesetzlichen Bezeichnung nach gerichtlichem Wortlaut immer eindeutig. Sie kann nicht anders verstanden werden. Das Nutzungsrecht war als Bestandteil[9] des geschlossenen Hofes einzuverleiben.
Gemeinschaftliches Privateigentum musste ausnahmslos als Miteigentum nach GALG § 9 einverleibt werden. Als Miteigentümer mussten die Einlagezahlen der berechtigten geschlossenen Höfe[10] angeführt werden. Das Miteigentum ist ein Realrecht, ein Bestandteil[11] des geschlossenen Hofes. Fehlen diese Kennzeichen, dann kann von Gesetz wegen kein privates Gemeinschaftseigentum vorliegen.
Die Zahlen aus den Erhebungen des Gemeindeverbandes belegen die Eigentumsrechte nach den beiden grundsätzlichen Möglichkeiten zum Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung. Im Eigentum einer Gemeinde standen 1510 Einlagezahlen, im Eigentum eines Gemeindeteiles 457, zusammen also 1967 EZl. In privatem, bäuerlichem Miteigentum mit Quoten standen 2121 EZl und im unquotierten privaten Gemeinschaftseigentum 219 EZl, zusammen sind also 2340 EZl ausgewiesen. Dazu kommen noch 19 EZl gemischtes Eigentum aus Gemeindeteilen, Miteigentum und einzelnen geschlossenen Höfen. Das Gegenteil des behaupteten Bezeichnungs-Gutdünkens ist in den historischen Hauptbüchern nachvollziehbar. Die Intabulationsnormen der Grundbuchsanlegung wurden 4326-fach exakt eingehalten.
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Erfindung ist die zugrunde liegende These, dass es neben den 2340 EZl noch eine weitere, erst von der Agrarbehörde entdeckte, außerhalb der Grundbuchanlegungsgesetze liegende, nicht verschriftlichte, Kategorie von bäuerlichem Gemeinschaftseigentum gäbe. Das ist nicht plausibel, das ist ein rechtlicher Irrweg.
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Erfindung ist es, wenn die Behörde in einem Bescheid[12] feststellt, dass unter dem Namen einer juristischen Person bereits bei Grundbuchsanlegung eine „nicht regulierte Agrargemeinschaft“ zu verstehen gewesen sei.
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Erfindung ist es, wenn der LAS meint, dass eine Gesamtheit von auftriebsberechtigten Höfen der „Einfachheit halber“ als Fraktion[13] bezeichnet werden kann.
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Erfindung ist es, zu sagen, die Waldservituten-Ausgleichskommission hätte die Rechte einer privaten „Miteigentumsgemeinschaft“ erhoben. Die Kommission unter Aufsicht des Innenministeriums hat durch gütliches Übereinkommen das erste Mal Gemeindegut und die darauf lastenden Rechte festgestellt.
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Erfindung ist es, zu sagen, dass die durch Kaufvertrag erworbenen EZl 121 und EZl 101 der Gemeindefraktion Katstralgemeinde Zamserberg, nicht Gemeindeeigentum gewesen wären. Ausschließlich die Gemeinden waren zum Abschluss von Kaufverträgen berechtigt. Die nun zu AG Unterberg – Rifenal und AG Meransalpe gehörigen EZl sind eindeutig Gemeindegut.
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Erfindung ist es, wenn zur Gemeindefraktion Katastralgemeinde Zamserberg [14] nach Instruktionsgesprächen eine „lit. b“ Feststellung erfolgt, ohne die zu Grunde liegenden gesetzliche Normen in Betracht zu ziehen. Das sich aus dem TFLG ergebende Recht Eigentum festzustellen bedeutet nicht das Recht, Eigentum zu übertragen[15] und schon gar nicht die Befugnis, eine anstehende Rechtsfrage (wer ist Eigentümer von einer Regulierung unterzogener Liegenschaften) außerhalb bestehender Rechtsnormen entscheiden bzw. bindend beurteilen zu dürfen. Das TFLG bietet keine Regeln dafür und wie aus allen diesbezüglichen Entscheidungen des LAS und des VwGH zum Erkennen ist, wurden die bestehenden Rechtsnormen der Grundbuchsanlegung nicht in Betracht gezogen. Es genügt nicht, die bei mehreren Grundbuchskörpern einverleibten Daten durch „Zuruf“[16] als unrichtig zu erklären; erst nach Beweis[17] des behaupteten Gegenteils kann eine Feststellung erfolgen. Die Behördenentscheidungen sind also schon vom Grundsatz her ohne gesetzliche Grundlage ergangen.
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Als Erfindung sind alle (ca. 50) „lit. b“ Feststellungen[18] in Tirol anzusehen. Das TFLG bietet dafür keine Rechtsgrundlage. Die Qualifikation „agrargemeinschaftlich“ ist dafür ungeeignet.
Der VwGH schließt die Erfindung nicht aus
Die Aussage des VwGH[19] zur grundsätzlich richtigen Systematik des TFLG, die Unterteilung von gemeinschaftlich genutzten Grundbuchskörpern in „Das einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten eigentümliche gemeinsame Gut“ und die Alternative „Gemeindegut“, muss gesetzeskonform interpretiert werden. Dem TFLG fehlen alle Detail-Normen, daher kommen dafür nur die Grundbuchsdaten und die Anlegungsgesetze in Frage.
Der VwGH meint nun, dass Das einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten eigentümliche gemeinsame Gut im Grundbuch durch die Bezeichnung Fraktion oder auch mit der lit. b – Qualifikation durch die Agrarbehörde beschrieben sein könnte. Das ist ein fundamentaler Fehler, der an die „Praxis des erfundenen Rechtes“ der Agrarbehörde anschließt.
Die behauptete Relevanz der Bezeichnungen existiert in den Anlegungsgesetzen nicht. Mit Begriffen wie „Fraktion“ oder anderen wird kein Eigentumsrecht definiert, es gibt keinen Zusammenhang, nicht im GALG und auch nicht im TFLG. Das einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten eigentümliche gemeinsame Gut kann ausschließlich durch GALG § 9 und AVO § 34 (4) und (6) beschrieben werden.
Die lit. b Qualifikationen haben im TFLG ebenso keine definierte Rechtsgrundlage für eine notwendige Begründung. Eine Instruierungsverhandlung mit Präsenzliste und ein eingeleitetes Regulierungsverfahren mit einer lit. b Feststellung können nicht das nach gesetzlichen Normen einverleibte Eigentum ohne geeignetes Beweis- und Berichtigungsverfahren verändern. Bei der Gemeindefraktion Katstralgemeinde Zamserberg stellt der einverleibte Eigentumstitel die Sachlage klar. Das Eigentumsrecht des Gemeindeteiles ist das Ergebnis des „Auf Grund des Vergleichsprotokolles der Waldservituten – Ausgleichskommission vom 27. Feber 1848, verf. am 12. März 1852, Fol. 1345“. Hier hat nicht eine Nutzergemeinschaft mit einer anderen Nutzergemeinschaft verhandelt, sondern eine Gemeinde mit den Nutzern des Gemeindeeigentums. Der Qualifikation fehlt jede sachliche Grundlage, sie wird jedoch vom VwGH[20] als bindende Behördenfeststellung akzeptiert.
Auch die vom VwGH als wissenschaftliche Unterstützung zitierte Rechtsliteratur ist verfehlt. Das Buch Agrarrecht II von Doz. Dr. E. Lang beinhaltet, leicht nachvollziehbar, grob sinnverfälschende Ausführungen zu diesen Paragrafen. Siehe auch das Buch „Die Täuschung Tirols“ von Ulrich Stern, Seite 116 ff und >>Buchbesprechung Arnold und >>Ausgerechnet Lang.
Der VwGH hat keine neue Eigentumskategorie erfunden. Er wollte aber damit ausdrücken, dass die Bezeichnungen Gemeindefraktion Katastralgemeinde Zamserberg und Gedingstatt jeweils das Eigentum einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten beschreiben. Dies entspricht nicht den verbindlichen Normen nach GALG § 9 und AVO § 34 (4) und (6), das Gegenteil ist der Fall: Mit den einverleibten Bezeichnungen werden das Eigentum eines Gemeindeteiles und einer Gemeinschaft von Gemeindeteilen gesetzeskonform benannt.
Der VwGH unterliegt in diesen und vielen ähnlich gelagerten Fällen einem gravierenden Irrtum.
Er ist mit diesem Irrtum nicht allein. Aus höchsten Kreisen der Tiroler Justiz sind nicht zufällig Zweifel an der Grundbuchsanlegung und Verständnis für die gesetzlose Vorgangsweise der Agrarbehörde veröffentlicht worden. Der ehemalige Leiter der Oberstaatsanwaltschaft in Innsbruck Dr. Eckart Rainer schrieb in einer Tageszeitung den Brief an Tirol: >>Geld her ist ein verfrühter Ruf . Seine private Interessenslage ist durch die Mitgliedschaft bei einer Agrargemeinschaft gekennzeichnet. Er hat dem Bild der Objektivität der Justiz keinen guten Dienst erwiesen.
Grundsätzliches
Notabene, die Erfindung verstößt gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung, einem Baustein der Verfassung. Eine Veränderung des Verfassungsprinzips der Gewaltentrennung bedürfte einer österreichweiten Volksabstimmung! Es darf einem ausführenden Organ, einer weisungsgebundenen Behörde, nicht möglich sein, vorbei an den Entscheidungen der unabhängigen Justiz zur Grundbuchsanlegung, vorbei an den Normen zur Grundbuchsanlegung und vorbei am geltenden Grundbuch, „ihr eigenes Recht“ zu erfinden und anzuwenden. Eine derartige Kompetenz der Agrarbehörde ist in keinem Gesetz festgeschrieben und „nur ein biss’l verfassungswidrig“ gibt es nicht. Es ist die Aufgabe des VwGH, solche „Versuche“ und behördliche Irrwege bereits in der Entstehung, in den einzelnen Beschwerde-Verfahren zu Agrarbehörden-Entscheidungen zu unterbinden. Die Grundsätze des Rechtsstaates sind von den Behörden ohne wenn und aber einzuhalten.
[1] >>Anlegungsgesetze, aGG VV § 9
[2] >>Anlegungsgesetze, GALG AVO § 34 (4) und (6)
[3] Siehe Beitrag >>Gedingstatt
[4] VfGH VfSlg 9336/1982
[5] Kienberger, Das Gemeindegut als Verfassungsproblem, Lexis Nexis, Kapitel IV, Seite 29, „… hat die Agrarbehörde- darauf läuft ihre Vorgangsweise im Ergebnis hinaus – generell die Unrichtigkeit der Grundbuchseintragungen unterstellt …“ mit FN 75
[6] >> Vortrag Vogl, Vortrag Mair, Buch Lang etc.
[7] Für alle Bezeichnungen aller Rechte im Grundbuch gilt das aGG 1871 mit der VV von 1882, wonach der „gerichtliche Wortlaut“ einzuverleiben ist.
[8] >>Anlegungsgesetze, aGG VV § 9
[9] >>Anlegungsgesetze, GALG AVO § 23, 24 ???
[10] >>Anlegungsgesetze, GALG AVO § 34 (4) und (6)
[11] >>Anlegungsgesetze, GALG AVO § 23, 24 ???
[12] Siehe Beitrag >> Gedingstatt
[15] Kienberger, Das Gemeindegut als Verfassungsproblem, Lexis Nexis, Kapitel IV, Seite 25
[16] Instruierungsverhandlung vom 1. Juli 1948 mit Präsenzliste
[17] Siehe Zitat Kienberger oben
[18] Sölden-Vent, Heinfels-Panzendorf, Weer u.a.m.
[19] Siehe Beitrag >>Gedingstatt
[20] VwGH Erkenntnis vom 20.06.2011, Zl. 2011/07/0039