Das Gemeindegut als Verfassungsproblem

Published date: Montag, 16 April 2018 13:47
Ein verfassungswidriger Rechtszustand als Folge der Aufrechterhaltung einer gesetzlosen Eigentumsentziehung?

Die Tiroler Agrarbehörde hat Jahrzehnte hindurch im Zuge von Verfahren zur Regulierung von Gemeindegut Gemeinden das Gemeindegut mit Bescheid entzogen und auf gleichzeitig gegründete Agrargemeinschaften übertragen.

Der VfGH hat in solchen Bescheiden einen verfassungswidrigen Eingriff in das Eigentumsrecht und das Gleichheitsrecht der Gemeinden gesehen und die Bescheide so ausgelegt, dass mit ihnen nur das formale Eigentum am Gemeindegut auf Agrargemeinschaften übertragen wurde, dessen Substanzwert aber bei den Gemeinden verblieben ist. Der VwGH hat die Rechtsauffassung des VfGH geteilt und weitere Klarstellungen vorgenommen. Der Landesgesetzgeber war bestrebt, eine der Rechtsauffassung des VfGH entsprechende Gesetzeslage herzustellen.

Zahlreiche von agrargemeinschaftlicher Seite in Auftrag gegebene Abhandlungen unternahmen es, das Vorgehen der Agrarbehörde zu rechtfertigen. Rechtsgutachten gelangten je nach dem Auftraggeber zu verschiedenen Ergebnissen.

Mit dieser Arbeit wird versucht, die derzeitige Rechtslage unter Berücksichtigung der histoischen Entwicklung des Gemeindeorganisationsrechtes und des Bodenreformrechtes möglichst objektiv darzustellen. Im Ergebnis wird die Rechtsansicht vertreten, dass der Landesgesetzgeber zwar die Rechtsauffassung des VfGH zur Geltung gebracht, damit aber noch nicht eine in jeder Hinsicht verfassungskonforme Rechtslage hergestellt hat. Dazu wäre es nötig, auch das formale Eigentum am Gemeindegut wiederum von den Agrargemeinschaften an die Gemeinden zurückzuführen.

 

Der Autor:
Dr. Heinrich Kienberger, Beamter im Amt der Tiroler Landesregierung im Ruhestand, zuletzt Vorstand der Abteilung Verfassungsdienst und der Gruppe Präsidium, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes im Ruhestand.